Ein Tag wie kein anderer
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 11.05.2017
Regisseur: Asaph Polonsky
Schauspieler: Shai Avivi, Evgenia Dodina, Tomer Kapon
Entstehungszeitraum: 2016
Land: IL
Freigabealter: 6
Verleih: Temperclayfilm
Laufzeit: 98 Min.
Der Tod und die Tüte
Ihr Sohn ist nicht einmal halb so alt geworden, wie sie selbst sind. Mit dieser, der wahrscheinlich schlimmsten Tragödie für Eltern, wird das jüdische Ehepaar Eyal (Shai Avivi) und Vicky (Evgenia Dodina) konfrontiert. Der Film beginnt am Ende der Shiva, zu einem Zeitpunkt, der zeigt, dass die Frau einen anderen Ansatz zu trauern hat als ihr Mann. Vicky ist Lehrerin und möchte die Vertretung, die für sie angeheuert wurde, am liebsten von der Tafel wegschubsen. Sie möchte zurück in ihren Alltag mit Terminen für Zahnreinigung und all solchen Dingen. Ihr Gatte hingegen drückt sich schon vor dem Friedhofstermin, will "aufs Haus aufpassen", weil ja Einbrecher zu dem Zeitpunkt zuschlagen, wenn alle bei der Trauerfeier sind. Der bärtige Eyal sagt nicht viel, weiß nicht mal, wie er mit dem Trauern anfangen soll. Als Kinobesucher begleitet man diesen Vater in gefühlter Echtzeit - und geht als ein anderer.

Unverhohlen steht die Ratlosigkeit und in deren Folge sinnloses Tun im Raum. So lässt Eyal seine Wut über die Nachbarn raus, die beim Sex zu laut sind, und sucht mit Ausdauer im Krankenhaus die Decke seines verstorbenen Sohnes. Die findet er nicht, kommt aber mit einer Tüte hochwirksamem Cannabis zurück, das sozusagen sein Erbe ist. In Zeiten, in denen er vergessen will, kommt ihm das betäubende Kraut gar nicht ungelegen. Offenbar hat der Senior aber noch nie zuvor in seinem Leben Kontakt mit der Droge gehabt und scheitert glorios an der Zubereitung. Aus der Not heraus zieht er den Sohn der verhassten Nachbarn, Zooler (Tomer Kapon), ins Vertrauen. Zooler ist Pizzabote und nicht abgeneigt, dem älteren Herrn beim Drehen eines Joints zur Hand zu gehen. Er war früher mit dessen Sohn befreundet.

Regisseur und Drehbuchautor Asaph Polonsky hat eine mitfühlende Komödie über Trauerarbeit gedreht, die sich sehr unkonventionell und kein bisschen kitschig entwickelt. Sobald man über den Film nachdenkt, kommen sofort die Szenen zurück, die einem ein besonderes Lächeln entlockten. Die Inszenierung ist so eindringlich wie unaufgeregt und besitzt großen Realitätssinn. Bemerkenswert ist vor allem die Leistung von Shai Avivi, einem Schauspieler, den man nicht vergisst, der so echt wirkt, dass es an dem Handeln seiner untröstlichen Figur keinen Zweifel gibt. Das Absurde passiert selbstverständlich, weil die Ausnahmesituation alles erlaubt, auch das Lachen über die skurrilen Situationen ganz ohne schlechtes Gewissen. Schließlich holt den Zuschauer wie die Protagonisten schnell wieder die Wirklichkeit ein, und die Traurigkeit kehrt zurück ins Bild.

Polonsky inszeniert ohne Pomp, aber mit einem feinen Händchen für Situationskomik. Tatsächlich kombiniert er ein leises Drama mit einer Kifferkomödie und hebt das Ganze auf ein intelligentes Level. Daher kann der auf dem Kinoplakat vermerkte Vergleich mit den Coen-Brüdern stehenbleiben. Auch wenn es immer ein Wagnis ist, solch hochgesteckte Vergleiche zu präsentieren und damit Erwartungen zu wecken.

Oft bewegt sich der Regisseur wie im Rausch vorwärts, scheinbar ohne Ahnung, wo es hingehen soll, und auch nicht sehr zügig. Vielleicht hat das Ganze ja keinen Sinn, ist aber jetzt da: Eyal hat einen Tag, den er nicht will, Stunden, in denen er mit seinem jungen Kumpel - unter Kopfschütteln seiner Frau, die ihn aber zu nehmen weiß - die Welt neu entdeckt. In Worten klingt es banal, im Kino ist es Dank des Hauptdarstellers ein Glücksfall. Denn Emotionen werden solange bloßgelegt, bis der Film seine Besucher mit einem sehr besonderen Gefühl gehen lässt.

Von Claudia Nitsche

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