Die Reste meines Lebens
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 25.05.2017
Regisseur: Jens Wischnewski
Schauspieler: Christoph Letkowski, Luise Heyer, Karoline Bär
Entstehungszeitraum: 2016
Land: D
Freigabealter: 0
Verleih: Camino
Laufzeit: 108 Min.
Kommt es wie es kommen soll?
Er war schon als Kind ein netter Junge. Und das ist Schimon (Christoph Letkowski) auch noch als Erwachsener. Er ist mit 23 Jahren nach Amerika gegangen, lebt dort seit Jahren in einem schönen Künstlerloft ganz ohne Protz mit seiner großen Liebe Jella (Karoline Bär). Er nimmt Hörbiografien auf, unterhält sich mit Schwerkranken, um eine Erinnerung für die Angehörigen zu schaffen. Schon mit dieser kleinen Vorstellung fasziniert der sympathische Soundtüftler, der den Tod als nichts Schlimmes empfindet, ist er doch bei all den Trauerfeiern nur Zaungast. Doch das soll sich in "Die Reste meines Lebens" schnell ändern.

Bald schon taumelt Schimon durch die Gänge eines Krankenhauses, denn er hat soeben die Nachricht erhalten, dass Jella tot ist. An dieser Stelle macht Regisseur Jens Wischnewski zum ersten Mal das, was er im Laufe dieser Tragikomödie noch öfter tun wird: Er zeigt, dass die Welt sich weiterdreht. Auch wenn du im schlimmsten Moment deines Lebens bist, leben Menschen neben dir und du kannst beispielsweise ganz aus Versehen in eine Geburtstagsfeier geraten. Wie das genau passiert, inszeniert Wischnewski auf die ihm eigene Art, die den Zuschauer sehr nah ans Geschehen bringt, auch dank eines sehr natürlich spielenden Hauptdarstellers.

Schimon und Jella wollten zurück nach Deutschland ziehen, und jetzt, da er vor den Trümmern seines Lebens steht, stürzt er sich in die Arbeit, entwirft einen Werbejingle, statt zu trauern. Diese heitere Musik im Stile eines Bert Kaempfert zieht sich durch den gesamten Film, der ein bedrückendes Thema mit viel Leichtigkeit erzählt. Mit Herzlichkeit und Humor geht es um die Kunst, mit einem Verlust umzugehen, und um mehr.

Denn "Die Reste meines Lebens" ist ein cineastischer Glücksgriff. Die komplexe Struktur des Drehbuchs könnte den Genickbruch bedeuten, weil Schimon sich sofort in eine neue Frau verliebt und damit auch Sympathien verspielen könnte.

Obwohl der Zuschauer alle Hände voll zu tun hat, versteht er die Geschichte tatsächlich erst zum Schluss. Kleine, sehr gut inszenierte Begebenheiten und Ticks wecken immer wieder Mitgefühl und lassen die seltsame Welt des Schimon realistisch erscheinen. Er lernt Milena (Luise Heyer) kennen, Musikerin und Clown im Krankenhaus. Vermutlich denkt er nicht viel nach, als er sie in sein altes Kinderzimmer zuhause bei Mama (Ulrike Kriener) und Papa (Hartmut Volle) abschleppt. Und dazu bleibt noch weniger Zeit, als am nächsten Morgen die Schwiegereltern im Wohnzimmer sitzen, um über die Grabfigur zu sprechen.

Was in Slapstick abdriften könnte, wird durch den vernünftigen Umgang aller Beteiligten mit dieser und anderen absurden Situationen abgefangen. Und so fasziniert der Regisseur über die gesamte Spieldauer mit gewagter Launenhaftigkeit. Denn er hat recht, so einfach ist das alles nicht.

Die offensichtliche Frage, ob Milena und Schimon eine Zukunft haben, ist nicht einfach zu beantworten. Das Publikum sieht Rückblenden über die Beziehung von Jella und Schimon und erfährt mehr darüber, wie es zu ihrem Tod kam. Wie die Protagonisten wechselt dadurch der Zuschauer seine Meinung immer wieder, taucht in die jeweils aktuelle Gefühlswelt ein.

Einzig der sehr weichgezeichnete Großvater ("Es kommt immer so, wie es kommen soll") aus Schimons Kindheit könnte kleiner Kritikpunkt sein. Ansonsten erzählt hier ein Langfilmdebütant seine Geschichte zweimal sehr stringent. Und wer das glaubwürdig schafft, darf uneingeschränkt gelobt werden, auch weil eine so mutige Gratwanderung eine echte Herausforderung ist, die vollkommen zu Recht mit dem Drehbuchpreis beim Max-Ophüls-Festival ausgezeichnet wurde.

Von Claudia Nitsche

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