Professor Marston & The Wonder Women
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 02.11.2017
Regisseur: Angela Robinson
Schauspieler: Luke Evans, Rebecca Hall, Bella Heathcote
Entstehungszeitraum: 2017
Land: USA
Freigabealter: 12
Verleih: Sony
Laufzeit: 108 Min.
Der Mann der ersten Superheldin
1941 feierte die Superheldin Wonder Woman ihren Einzug in das Comic-Universum. Selbstbewusst und durchsetzungsstark präsentierte sich die Amazonenprinzessin mit dem magischen Lasso, die der amerikanische Psychologe William Moulton Marston federführend entwickelt hatte. Noch heute zählt sie zu den beliebtesten Comic-Figuren überhaupt, weshalb es umso spannender ist, dass Angela Robinson ("Herbie Fully Loaded - Ein toller Käfer startet durch") in "Professor Marston & The Wonder Women" die eher unbekannte Entstehungsgeschichte von Wonder Woman und das ungewöhnliche Privatleben ihres Schöpfers in den Blick nimmt.

Ende der 1920er-Jahre forscht Marston (Luke Evans) am Radcliffe College, einer Harvard-Einrichtung für Frauen, und wird bei seiner Arbeit tatkräftig von seiner Ehepartnerin Elizabeth (Rebecca Hall) unterstützt. Als sie eine Assistentin suchen, fällt ihre Wahl auf die attraktive Studentin Olive Byrne (Bella Heathcote), an der die beiden Psychologen fortan auch Beobachtungen zum menschlichen Verhalten durchführen.

Im Beisein Olives entwickeln William und Elizabeth eine Frühform des Lügendetektors und bauen zu der jungen Frau außerdem eine romantische Beziehung auf, die sie jedoch bald vor große Herausforderungen stellt. Mit dem Auffliegen des unkonventionellen Liebeslebens verlieren die Marstons ihre Anstellung und siedeln in eine ruhige Vorortgegend um, wo sie gemeinsam mit Olive mehrere Kinder großziehen. Um die Familie zu versorgen, kreiert William schließlich die Comic-Superheldin Wonder Woman, die zu einem großen Erfolg avanciert, von den Sittenwächtern aber kritisch beäugt wird.

Robinsons Biopic stellt ein intimes Verhältnis in den Mittelpunkt, das man heute mit dem Kunstbegriff "Polyamorie" beschreiben würde, und nimmt sich dabei, wie eine Marston-Enkelin öffentlich beklagte, einige kreative Freiheiten. Nachdem der Film erste Hinweise auf die gegenseitige Anziehung ausgestreut hat, kommt es zu einer emotional stark aufgeladenen Sexszene hinter der Bühne eines Theatersaals. Während sich die drei Protagonisten hier in Verkleidungen ihrer Lust hingeben, zeigt sich bereits ihr Vergnügen an erotischen Spielen, das später auch zum Ausleben von Fessel-Fantasien führt.

Zuweilen wirkt "Professor Marston & the Wonder Women" in puncto Figurenzeichnung nicht ganz ausgefeilt. Löblich ist es aber allemal, dass das Liebesdrama dem Zuschauer anschaulich vor Augen führt, wie komplex und widersprüchlich menschliche Gefühle sein können. Eine besondere Erwähnung in der aus dem Rahmen fallenden Dreierkonstellation verdient sich die Britin Rebecca Hall, die Elizabeth mit Verve als schlagfertige, kluge und charismatische Persönlichkeit verkörpert. Eine passionierte Wissenschaftlerin, der - so zeigt es der Film - eine größere Forscherkarriere nur aufgrund ihres Geschlechts verwehrt bleibt.

Nach außen mag Elizabeth im Schatten ihres Mannes stehen. William selbst lässt sich jedoch von ihrem emanzipierten Auftreten nachhaltig beeinflussen und versieht die Comic-Heldin Wonder Woman daher nicht nur mit bestimmten Eigenschaften seiner früheren Studentin, sondern auch mit markanten Merkmalen seiner Gattin. Überzeugt von der moralischen Überlegenheit der Frau, setzt Marston den männerdominierten Comic-Erzählungen eine starke weibliche Figur entgegen. Dass die Ideen der Wonder-Woman-Comics nicht in das Moralkonzept ihrer Entstehungszeit passen, illustriert Robinson, indem sie den Hauptstrang immer mal wieder für eine Verhörsituation unterbricht, bei der der Psychologe zu anstößigen Inhalten und Darstellungsformen seiner Comic-Arbeiten befragt wird.

Angesichts der ungewöhnlichen Liebes- und Werkgeschichte, die "Professor Marston & the Wonder Women" skizziert, ist es schade, dass die Regisseurin in ihrer Inszenierung häufig auf Nummer sicher geht und zum Ende hin allzu offensichtlich auf die Tränendrüse drückt. Etwas mehr Mut zur Abkehr von üblichen Biopic-Mustern hätte das Ganze gewiss noch fesselnder und reizvoller gemacht.

Von Christopher Diekhaus

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