Filmbewertung: | ausgezeichnet |
Starttermin: | 22.03.2018 |
Regisseur: | Craig Gillespie |
Schauspieler: | Margot Robbie, Allison Janney, Sebastian Stan |
Entstehungszeitraum: | 2017 |
Land: | USA |
Freigabealter: | 12 |
Verleih: | DCM |
Laufzeit: | 120 Min. |
Zur Erinnerung: 1994, kurz vor den US-Meisterschaften, wurde die Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan von einem Attentäter mit einer Eisenstange am Knie verletzt. Kerrigan konnte daraufhin nicht antreten, Tonya Harding gewann den Titel. Der Fall machte weltweit Schlagzeilen: Die Ermittler fanden schnell heraus, dass der Anschlag von Hardings damaligem Ehemann Jeff Gillooly (Sebastian Stan) geplant und beauftragt wurde.
Harding selbst dementierte stets, davon gewusst zu haben: "I, Tonya" erzählt ihre Sicht auf die Dinge in einer gewitzten Mockumentary mit fiktiven Interviews, fiktiven Spielszenen und einer einordnenden Reflexion aus dem Off. Natürlich von Harding. War sie wirklich eine Eishexe? Oder vielleicht auch ein Opfer? Waren immer die anderen schuld? Ist Harding einfach nur eine Abgehängte?
Antworten auf diese Fragen gibt Craig Gillespie in seinem brüllend komischen Film nicht. Im Gegenteil. Die Wahrheit interessiert ihn gar nicht so sehr. Aber das ist egal. Im Kino geht es um mehr. Hier geht es um Geschichten, und Hardings Geschichte ist viel zu bizarr, um sich mit der Wahrheit abzugeben. Sie wird lustvoll hin- und hergeworfen, immer wieder gebrochen und abgelenkt.
Dass Harding in den 1980er- und 1990er-Jahren überhaupt eine Eiskunstläuferin von Weltformat werden konnte, ist ein kleines Wunder. Die White-Trash-Proletin passte so gar nicht in die heile Glitzerwelt des glanzvollen Sports. Dort tummelten sich vornehmlich Prinzessinnen aus wohlbehüteten Familien.
Tonya hingegen stammt aus ärmlichen Verhältnissen, ihre Mutter LaVona (Allison Janney, gewann Oscar und Golden Globe für diese Rolle) prügelt sie regelrecht aufs Eis, lässt sie beim Training nicht aufs Klo, sticht ihr bei einem Streit mit einem Küchenmesser in den Arm - und erwartet dafür Dankbarkeit. Später holt sich Tonya die Schläge ins Gesicht von ihrem Ehemann Jeff ab.
Auch sie kommen in dem schrägen Filmpuzzle zu Wort, das viel erzählt über das Aufwachsen in der weißen Unterschicht, über häusliche Gewalt, aber auch über den Traum, vielleicht doch eine Chance zu haben. Auch wenn es eigene Lebensumstände und vor allem "die da oben" nicht zulassen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, den Tonya Harding trotz athletischer Höchstleistungen niemals gewinnen kann: "Wenn man bei Olympia nicht gewinnt, bekommt man keine Werbeverträge. Man bekommt die Frühschicht im Burgerladen."
Aufgeben kommt jedoch auch nicht in Frage. Und dann fassen ihr Mann und sein Kumpel Shawn Eckhardt (Paul Walter Hauser), eine aufgedunsene Witzfigur von Muttersöhnchen, den dämlichen Kerrigan-Plan.
Es ist faszinierend anzusehen, wie sich die Australierin Margot Robbie als Tonya Harding durch ihr Leben kämpft. Sie ist vulgär, trotzig und kämpferisch: aber keine Witzfigur. Es ist ihre Geschichte, wie gesagt nicht bis ins letzte Detail der Wahrheit verpflichtet. Aber man glaubt sie ihr. Auch wenn hinter dem kruden Witz eine große Tragik steckt, aber wenig Verbitterung: Man darf lachen und am Ende sogar gerührt sein.
Wer wissen mag, wie grotesk das Leben Hardings wirklich war, der sollte sich den Film bis zum Ende des Abspanns ansehen. Denn dort laufen die echten Interviews mit Tonya, LaVona, Jeff und Shawn.
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