Wohne lieber ungewöhnlich
Filmbewertung: enttäuschend
Starttermin: 17.05.2018
Regisseur: Gabriel Julien-Laferrière
Schauspieler: Julie Gayet, Thierry Neuvic, Julie Depardieu
Entstehungszeitraum: 2016
Land: F
Freigabealter: 0
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 95 Min.
Eltern nach Terminplan
Sie sind sieben, zwischen drei und siebzehn Jahre alt und Geschwister oder Halbgeschwister. Sie verdanken ihre Existenz und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen ihren ebenso bindungs- wie trennungsfreudigen Eltern. Mitten in Paris bewohnen sie ein schönes großes Appartement mit bester Aussicht. Der Nachbar unter ihnen ist misstrauisch wegen der Kinder so ohne Aufsicht. Er klopft jedoch erst an ihre Tür, nachdem Seifenschaum auf seinen Kopf getropft ist. Ist das nicht herrlich, ganze Badezimmer in Schaumbäder zu verwandeln? Definitiv hat die Komödie "Wohne lieber ungewöhnlich" den Keim eines tollen Großstadtabenteuers mit aufgeweckten kleinen Großstadtindianern in sich. Aber vor dem Aufblühen geht die Idee daran ein, dass die Kinder einfach tüchtigere und coolere Erwachsene sein sollen.

Als Einstieg sind die altklugen Einsichten des hübschen Bastien (Teïlo Azaïs) auf bittere Weise amüsant. Als seine Mutter Sophie (Julie Gayet) sich mit Hugo (Lucien Jean-Baptiste) verheiratet, macht er sich über die Haltbarkeit der neuen Beziehung keine Illusionen. Sie war schon ein paarmal verheiratet, aus allen Verbindungen hat sie Kinder. Immer kam es schnell zum Streit, der Mann zog aus - und dann war schon bald die Scheidung da. Der Nachwuchs aus diesem Patchwork-Komplex, zu dem auch Sophies Schwester Agnès (Julie Depardieu), ihr Nachwuchs und ihre Ex-Partner gehören, ist derweil viel unterwegs.

Dreimal in der Woche, rechnet Bastien aus, ziehen sie zu einem anderen Elternteil um. Das ist zu viel! Die Kinder setzen sich gemeinsam in die Wohnung ab, die Hugos verstorbener Mutter gehört hat. Es dauert etwas, bis die Erziehungsberechtigten merken, dass ihre Sprösslinge nicht bei dem oder der Ex sind. Als es soweit ist, hat Bastien ein verblüffendes Angebot parat: Die Kinder bleiben in ihrer WG, die Erwachsenen wechseln sich mit der Betreuung ab - von abends bis morgens und am Wochenende ganz.

"Wohne lieber ungewöhnlich" ist eine Art brave, konsumorientierte Wohlfühlfilm-Version der notorischen Losung "Kinder an die Macht". Die Eltern akzeptieren den Terminplan und werden zu Kindern. Die wiederum seufzen und verdrehen die Augen über das alberne Verhalten der "Erwachsenen". Derweil frönen sie einem endlosen Kindergeburtstag, der alle Wünsche erfüllt: Pizza essen, Playstation spielen, alle haben sich ganz doll lieb.

Doch diese Kindheit will bei näherer Betrachtung niemand geschenkt haben. Egal, ob sie Verantwortung übernehmen, einander herzen, sich freuen oder die erste Liebe erleben - ihr Tun wirkt immer seltsam mechanisch, abgeklärt und über den Dingen schwebend. Es sind Karikaturen reifer und erfahrener Erwachsener. Turbulenz und eimerweise Rührseligkeit sorgen dabei nicht für mehr Intensität. Das ist natürlich in erster Linie ein Manko von Regie und Drehbuch. Eigentlich kann die Anweisung an die kleinen und großen Darsteller lediglich gelautet haben: 'Bitte recht überspannt und überdreht'.

"Wohne lieber ungewöhnlich" transportiert das Bild einer Kindheit, in der es weder Geheimnisse noch einen Grund für Neugier gibt. Symptomatisch ist das Desinteresse der Kamera für die Wohnung, die die Kinder in Beschlag nehmen. Obwohl im reizvollen Altbau gelegen, dient sie bloß als Dekor, nicht der Entdeckung. Jeder Anflug von Zauber verflüchtigt sich. Genau genommen gibt es keine Verlockung zum Älterwerden. Das ist wahrlich Leben ohne Aussicht auf Sinn.

Von Andreas Günther

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