Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 22.11.2018
Regisseur: Philip Gröning
Schauspieler: Julia Zange, Josef Mattes, Stefan Konarske
Entstehungszeitraum: 2017
Land: D / F
Freigabealter: 6
Verleih: W-Film
Laufzeit: 172 Min.
Alle Zeit der Welt
Zwei Geschwister philosophieren zwei Tage lang auf einer Sommerwiese über das Wesen der Zeit, küssen und schlagen sich, lernen fürs Abitur, trinken viel Bier und verabschieden sich mit einem Knalleffekt von der Kindheit: "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" ist ein bemerkenswerter Film, der völlig aus der Zeit fällt. Was vor allem daran liegt, dass sich Regisseur Philip Gröning ("Die Frau des Polizisten", "Die große Stille") unendlich viel Zeit nimmt, damit seine Protagonisten dieselbe anhalten können. Auf narrative Strukturen verzichtet die dreistündige Kino-Unergründlichkeit, lässt aber viel Raum für Beobachtungen.

"Wie kann etwas vergehen, wenn es doch das Recht hat, zu existieren?", fragt Robert (Josef Mattes) gedankenschwer? Eigentlich haben er und seine Schwester Elena (Julia Zange) das ganze Leben noch vor sich. Für die Zwillinge ist es aber gefühlt schon zu Ende. Am Montag legt Elena ihre Abiturprüfung in Philosophie ab, Robert gibt ihr Nachhilfe. Das Thema: die Zeit. Und davon gibt ihnen Philip Gröning, der auch das Drehbuch schrieb, reichlich.

Ein letztes gemeinsames Wochenende bleibt ihnen noch, dann will Elena studieren und Robert, der Schulverweigerer, irgendwo hin. Die beiden Tage verbringen sie auf einer Sommerwiese, die Hitze flirrt, die Grillen zirpen, am Horizont sind die Alpen zu erkennen. Bis auf eine Tankstelle ist rundherum nichts. Was macht man mit dem Nichts? Man füllt es mit philosophischen Fragen, dafür sind die beiden schließlich gekommen.

"Der Grund der Zeit ist die Hoffnung", erklärt Robert und dann geht es schnell um Erkenntnis, Bewusstsein, das Wesen des Menschen. Was zählt, ist die Gegenwart. Vergangenheit und Zukunft kommen in dem Film nicht vor. Die Geschwister leben im Moment. Sie wirken darin verloren.

Es wirkt ein wenig prätentiös, wenn Heidegger und Novalis zu unsichtbaren Protagonisten werden und sich Robert und Elena gar nicht mehr einkriegen vor lauter Zeitlosigkeit, in die sie geflüchtet sind. Viel spannender als die bedeutungsschwangeren Dialoge anzuhören, ist es, die Kids dabei zu beobachten, wie sie sich aneinander reiben, um voneinander loszukommen - was sie eigentlich gar nicht wollen.

Gröning fasst das in enigmatische Bilder: Sommerwiese, Sonne, bleiche Körper, Ameisen, Heuschrecken, Schweiß, verschlungene Körper. Er komponiert seine Tour de Force im hohen Gras aus Schleifen und Ellipsen, Wiederholungen und Vergrößerungen, Abstraktionen und Dissonanzen - formal ist das durchaus spannend und schön anzusehen sowieso.

Die Langeweile, die sich ausbreitet, ist eine der guten Art, eine, die Platz lässt, für Beobachtungen und Gedanken, die abschweifen dürfen. Sowohl auf als auch vor der Leinwand. Doch irgendwann haben Elena und Robert genug: Sie wollen noch etwas unternehmen, aus ihrer Traumwelt in die echte übertreten. Koste es, was es wolle. Die Tankstelle wird ihr Tor zu einer Welt, der sie abhandengekommen sind: Hier eskaliert ihr Abnabelungsprozess in einer Orgie aus Sex und Blut.

Das ist schwer auszuhalten, und Gröning kümmert sich auch nicht um irgendwelche Antworten auf all die Fragen, die er vorher hat stellen lassen. Man ist wie Robert und Elena verloren. In der Zeit, im Erkenntnisloch, im Abschied.

Von Andreas Fischer

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