Filmbewertung: | ausgezeichnet |
Starttermin: | 07.03.2019 |
Regisseur: | Jacques Audiard |
Schauspieler: | Joaquin Phoenix, John C. Reilly, Jake Gyllenhaal |
Entstehungszeitraum: | 2018 |
Land: | USA, FR |
Freigabealter: | 12 |
Verleih: | Wild Bunch Germany |
Laufzeit: | 122 Min. |
Immerhin ist "The Sisters Brothers" auch eine recht eigenwillige Art von Western geworden. Jacques Audiard ("Dämonen und Wunder"), der auf Anregung seines Hauptdarstellers und Co-Produzenten John C. Reilly erstmals mit US-Stars drehte, spricht selbst von einem "dritten Weg", das Genre zu gestalten - nicht emphatisch wie die Klassiker, nicht gebrochen-cool wie bei Tarantino, nein, ein "leiser Western" sei ihm da gelungen. Nun - dafür kracht es in dieser weitgehend werkgetreuen Adaption dann doch beträchtlich.
Auftragsmorde und Zahnpflege
Schließlich geht es um zwei absolut tödliche Revolvermänner, die im Oregon der 1850er-Jahre für einen ominösen "Commodore" (Rutger Hauer in einem Cameo-Auftritt) Auftragsmorde erledigen. Charlie (Joaquin Phoenix) und Eli Sisters (Reilly) ziehen als ungleiche Brüder eine Blutspur durch den seinerzeit noch ziemlich wilden Westen.
Der jüngere, Charlie, ist ein hemmungsloser Quartalssäufer und Gewaltjunkie. Der ältere, Eli, ein grummelnder Bär, der bemüht ist, hinter dem unberechenbaren Charlie die Scherben aufzukehren. Wenn er nicht gerade beleidigt im Schlafsack schmollt oder sich mit den Errungenschaften der Zahnpflege beschäftigt. Ja: "The Sisters Brothers" ist beim ironisch invertierten Gendertitel angefangen auch ein komischer Western.
Wie so oft ist es auch in dieser Geschichte der erklärtermaßen letzte große Auftrag, der nach allen Regeln der dramatischen Kunst aus dem Ruder läuft. Für den Commodore, einen über Leichen gehenden Geschäftsmogul, sollen Charlie und Eli einen Chemiker mit dem tollen Namen Hermann Kermit Warm (Riz Ahmed) finden, foltern und töten. Warm hat, so heißt es, eine chemische Lösung entwickelt, die in den Schürfer-Gewässern nahe der Westküste die Goldanteile sichtbar macht, eine Formel für grenzenlosen Reichtum also.
Haudraufrhetorik wie in einem Präsidententweet
Zuarbeiten soll den beiden Killern eigentlich ein Scout namens John Morris (Jake Gyllenhaal). Doch Warm ist ein sozialer Utopist mit Überzeugungskraft, und Morris ist ein belesener Dandy mit Skrupeln und Empathie. So machen der Chemiker und sein Verfolger bald gemeinsame Sache, sehr zum Ärger der ausgebooteten Brüder.
In ungezähmter Wildnis und in gesetzlosen Boomtowns geben Eli und Charlie manche Kostprobe ihrer tödlichen Kunst. Doch weit mehr als Kugelhagel prasselt auf den Zuschauer das Gequassel der beiden Outlaws ein. "The Sisters Brothers" ist vor allem anderen ein Film von fantastischer sprachlicher Präzision. Der blutige Gründungsmythos der Vereinigten Staaten wird in sämtliche Richtungen (Idealismus, Kapitalismus, Anarchie) ausbuchstabiert als eine Frage von Diktion. Aufs Komischste kollidieren fantasievolle Formulierungen mit schlichter Haudraufrhetorik, die in einen Präsidententweet passen würde.
Das alles wird garniert mit Momenten der Selbsterkenntnis im Sattel, denen Freud gnädig applaudiert hätte. Die ironischen Lehren dieser Outlaw-Ballade: Selbst wer den gewalttätigen Vater tötet, hat dessen verderbliches Blut in den Adern. Und: Wonach sich sogar der übelste Revolverheld tief im Inneren sehnt, sind der warme Schoß der Mama und ein leckeres Marmeladenbrot. Nur gut, dass John Wayne das nicht mehr erfahren muss.
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