Darum ist Roman Polanskis neuer Film ein Skandal

Im Jahr 1977 missbraucht der Filmemacher Roman Polanski in den USA eine damals 13-Jährige. Nach einem Deal mit einem Richter bekennt er sich des Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen schuldig, flieht aus dem Land, weil sich der Richter nicht an die getroffene Absprache hält, und meidet es bis heute. 80 Jahre zuvor: Am 5. Januar 1895 steht der Artillerie-Hauptmann Alfred Dreyfus im Hof der École Militaire in Paris. Man nimmt ihm seinen Säbel, seine Abzeichen, seine Uniform, schickt ihn anschließend in die Verbannung auf die Teufelsinsel vor der Küste Südamerikas. Dreyfus soll sein Land verraten und für die Deutschen spioniert haben. Zwei Fälle, die nichts miteinander zu tun haben? Geht es nach Roman Polanski und seinem neuen Film "Intrige", dann sind die Zusammenhänge offensichtlich. Denn Dreyfus war unschuldig, freigesprochen erst von Gerichten, dann von der Geschichte. Und auch er selbst, Polanski, müsse sich gegen Falschbeschuldigungen zur Wehr setzen.

"J'accuse", so heißt "Intrige" im französischen Original, "Ich klage an". "J'accuse", so überschrieb Émile Zola seinen legendären Zeitungsartikel, mit dem der Schriftsteller 1898 wortgewaltig die Freilassung von Dreyfus forderte. Aber auch Polanski klagt an: all jene, die ihn, so sagt er, zu Unrecht an den Pranger stellten. Das, was einst Dreyfus passierte, könne auch heute wieder passieren, sagte Polanski anlässlich der Premiere von "Intrige" im vergangenen Sommer in einem Interview. "Alle Zutaten sind vorhanden: falsche Beschuldigungen, schlechte Arbeit bei Gericht, korrupte Richter und dazu Social Media, die ohne einen fairen Prozess verurteilen." Er sehe die gleiche Entschlossenheit wie damals, Fakten zu leugnen und ihn für etwas zu verurteilen, was er nicht getan habe.

"Absurde Geschichten"

Polanski vergleicht sich also mit Dreyfus selbst, stellt seinen Fall auf eine Ebene mit dem größten Justizskandal, den Frankreich im 19. Jahrhundert gesehen hat. Das ist eine gleich zweifache Anmaßung. Denn einerseits war und ist der Fall Polanski keiner, der das Zeug hat, einen Staat in eine Krise zu stürzen; vor allem aber war der angebliche Spion Dreyfus tatsächlich unschuldig. Polanski hingegen hat seine Schuld, zumindest zu einem Teil, längst eingestanden. Weitere Vorwürfe anderer Frauen, die in den letzten Jahren gegen ihn erhoben wurden, wies er hingegen zurück. Zuletzt warf ihm die französische Fotografin Valentine Monnier vor, sie 1975 in seinem Schweizer Haus geschlagen und vergewaltigt zu haben. "Die Vorgehensweise der Verfolgungsmaschinerie im Film kommt mir bekannt vor, und das hat mich zweifellos inspiriert", so Polanski. Die Vorwürfe, die in den letzten Jahren gegen ihn erhoben wurden, seien "absurde Geschichten"; er werde für Ereignisse beschuldigt, "die angeblich vor mehr als einem halben Jahrhundert passierten".

Trotz dieses bitteren Beigeschmacks: Von der Kritik wurde "Intrige" als Polanskis bester Film seit Jahren gelobt, kürzlich erst wurde das Werk für zwölf Césars nominiert, die wichtigsten französischen Filmpreise. Louis Garrel spielt Alfred Dreyfus, Jean Dujardin ist Marie-Georges Picquart, der Leiter der französischen Geheimdienstabteilung. Picquart glaubt, dass Dreyfus zu Unrecht degradiert und verbannt wurde. Je mehr er die alten Unterlagen analysiert, desto überzeugter ist er: Dreyfus wurde Opfer einer Intrige, die bis in höchste Militär- und Regierungskreise reicht. Mit mehreren Zeitsprüngen erzählt Polanski von Picquarts Ermittlungen, er zeigt in Rückblenden den Prozess gegen Dreyfus und schließlich, wie das Verfahren gegen ihn 1899 erneut aufgenommen wird. Dabei schafft Polanski immer wieder erschreckende Parallelen zur Gegenwart: Für viele Zeitgenossen war Dreyfus schon alleine deshalb verdächtig, weil er Jude war. Auch hier ist der Film wieder ganz nah an Polanski selbst, der während der nationalsozialistischen Judenverfolgung am eigenen Leib spüren musste, was Antisemitismus bedeutet.

"Intrige" startet am 6. Februar in den deutschen Kinos.

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