Fatih Akin, die Hosen und ganz wenig Hollywood
Natürlich geht mit ihm eine schillernde Persönlichkeit. Und einer, der sich um das deutsche Kino in besonderer Weise verdient gemacht hat. So umstritten Dieter Kosslick im Verlauf seiner Karriere als Berlinale-Chef auch bisweilen gewesen sein mag, er hat den Glanz des Festivals in all den Jahren bewahrt und es zugleich nicht dem Kommerz preisgegeben. Seinen Nachfolgern hinterlässt er ein bestelltes Feld.

Einmal noch, am Donnerstag, 7. Februar, wird der inzwischen 70-Jährige im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz die Festspiele eröffnen, deren Leitung er seit Mai 2001 innehatte. Er selbst zieht eine positive Bilanz: "Unserem Anspruch, dass die Berlinale ein Fest fürs Publikum und ein politisches Festival sein soll, sind wir treu geblieben." Die einst geäußerte Sorge, Filmfestivals könnten die Besucher abhandenkommen, habe sich nicht erfüllt. Auch in diesem Jahr werden sich wieder weit über 300.000 Gäste einen Film in einer der vielen Spielstätten ansehen.

Eines von Kosslicks merkwürdigsten Problemen in all den Jahren: Er und sein Team sollten stets eine Überschrift finden über das breite Filmangebot. Diesmal lautet sie: "Das Private ist politisch", was einst für die Frauenbewegung der 68er stand, aber streng genommen auch ein Slogan für die vergangenen 17 Jahre Berlinale hätte sein können. Es geht in vielen Filmen um Kindheit, um Familie, um Gerechtigkeit und um Menschen, die in einer sich stetig verändernden Gesellschaft um Aufmerksamkeit und Achtung ringen.

Fatih Akin im Wettbewerb

Der Wettbewerb der 69. Berlinale umfasst diesmal 23 Filme, von denen 17 um den Goldenen und die Silbernen Bären streiten. Die anderen werden außer Konkurrenz gezeigt. 25 Länder sind vertreten, Deutschland mit insgesamt drei Beiträgen. Größte Aufmerksamkeit wird dabei "Der goldene Handschuh" erfahren, Fatih Akins Verfilmung des gleichnamigen Romans von Heinz Strunk. Es geht um den Serienmörder Fritz Honka, der in den 70er-Jahren in Hamburg mehrere Frauen tötete, allesamt Personen aus dem Trinkermilieu der Stadt, die nachher niemand vermisste. Jonas Dassler, der unter anderem auch in dem oscarnominierten Film "Werk ohne Autor" zu sehen ist, spielt die Hauptrolle. Neben ihm sind unter anderem Margarethe Tiesel, Katja Studt, Hark Bohm und Marc Hosemann zu sehen. "Der goldene Handschuh" wird am 21. Februar in die Kinos kommen.

Zweiter deutsche Beitrag im Wettbewerb ist das Drama "Ich war zu Hause, aber", in dem Berlinale-Stammgast Franz Rogowski ("Transit", "In den Gängen") und Maren Eggert die Hauptrollen spielen. Autorin und Regisseurin Angela Schanelec erzählt vom spurlosen Verschwinden eines 13-jährigen Jungen. Nach einer Woche taucht er wieder auf, doch was ist in der Zwischenzeit geschehen?

Ebenfalls im Wettbewerb ist Nora Fingscheidts Spielfilmdebüt "Systemsprenger", in dessen Mittelpunkt familiäre und soziale Strukturen der Gegenwart stehen. Die junge Helene Zengel spielt ein neunjähriges Mädchen, das sich radikal jeder vorgegebenen Regel widersetzt.

Christian Bale und der Hauch Hollywoods

Eröffnet wird die Berlinale am 7. Februar mit der Weltpremiere von Lone Scherfigs "The Kindness of Strangers". Die dänisch-kanadische Koproduktion versteht sich als zeitgenössisches Drama, das ein Ensemble unterschiedlichster Menschen zeigt, die alle damit ringen, den New Yorker Winter zu überleben. Die dänische Regisseurin und Drehbuchautorin Lone Scherfig war schon häufig Gast bei der Berlinale, für ihren Film "Italienisch für Anfänger" erhielt sie 2001 den SIlbernen Bären der Jury. Auf der Besetzungsliste des Films stehen Zoe Kazan, Tahar Rahim, Andrea Riseborough, Jay Baruchel und Bill Nighy.

Auffällig: Die großen Hollywood-Produktionen fehlen diesmal im Wettbewerb. Mit Spannung erwartet wird Adam McKays Filmbiografie "Vice - Der zweite Mann", die die Lebensgeschichte des ehemaligen US-amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney erzählt und am 21. Februar in die Kinos kommen wird. Hauptdarsteller Christian Bale, der für seine Leistung eine Oscarnominierung erhielt, wird in Berlin zu Gast sein. Weitere Hauptrollen spielen Amy Adams, Steve Carell (als Donald Rumsfeld) und Sam Rockwell (als Präsident George Bush).

Große Aufmerksamkeit erfahren wird darüber hinaus der chinesische Beitrag "So Long, My Son" von Wang Xiaoshuai, der über eine Spielzeit von drei Stunden hinweg von den Aufbruchsjahren nach der chinesischen Kulturrevolution bis in die Gegenwart erzählt und in dem es vor allem um die Folgen der Einkindpolitik geht. Die Verhältnisse in Italien nimmt sich "La paranza dei bambini" zum Thema. Regisseur Claudio Giovannesi erzählt von Jugendbanden in Neapel. Frankreich ist wieder einmal mit Catherine Deneuve vertreten. Sie spielt die Hauptrolle in André Téchinés Drama "L'adieu à la nuit", in dem es um die Beziehung einer Frau zu ihrem Enkel geht.

Die Toten Hosen und das Ende der Welt

Wer am 16. Februar den Goldenen und die sechs Silbernen Bären erhalten wird, liegt in den Händen der sechsköpfigen Jury, der in diesem Jahr die Schauspielerin Juliette Binoche vorsteht. Der Goldene Ehrenbär, der wie immer mit einer filmischen Hommage verbunden ist, geht diesmal an die Schauspielerin Charlotte Rampling. Mit der Berlinale Kamera werden Sandra Schulberg, Gründerin des IFP (Independent Filmmaker Project), Wieland Speck, langjähriger Leiter der Berlinale-Sektion Panorama, die Filmemacherin Angès Varda sowie der Regisseur und Autor Herrmann Zschoche ausgezeichnet.

Eine eigene Spielstätte mit dem Zoo-Palast erhalten auch in diesem Jahr die TV-Serien. Vorgestellt wird unter anderem die neue Sky-Produktion " 8 Tage" mit Christiane Paul und Mark Waschke, die das Verhalten von Menschen im Angesicht des möglichen Todes zeigt. Ein Asteroid rast auf die Erde zu - bis Europa ausgelöscht sein wird, sollen nur noch eben jene acht Tage vergehen. Ebenfalls präsentiert wird die neue Serie "M - Eine Stadt sucht eine Mörder" mit Lars Eidinger, Sarah Viktoria Frieck, Bela B und Moritz Bleibtreu, die als Koproduktion von RTL Crime, ORF und Superfilm demnächst beim Pay-TV-Kanal RTL Crime startet.

In einer Berlinale Special Gala vorgestellt wird am 15. Februar die Dokumentation "Weil du nur einmal lebst - Die Toten Hosen auf Tour". Die Regisseurin Cordula Kablitz-Post begleitete dafür die Band 2018 auf ihrer großen Tournee durch die Stadien und Open-Air-Locations in Deutschland und der Schweiz und bis nach Argentinien. Der Film kommt am 28. März in diesen Kinos. In Berlin werden die Hosen zur Premiere erwartet.

Kosslicks Nachfolger

Dieter Kosslicks Amtszeit als Chef der Berlinale endet offiziell im Mai. Seine Nachfolge treten Carlo Chatrian als künstlerischer Direktor und Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin an. Chatrian, geboren 1971 in Turin, leitet seit 2013 das Locarno Film Festival. Rissenbeck war langjährige Geschäftsführerin von German Films, dem Informations- und Beratungszentrum für die internationale Verbreitung deutscher Filme.

Von Kai-Oliver Derks

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