Til Schweigers Flop-Remake: So schlecht ist die US-Version von "Honig im Kopf wirklich
Dass sich Kritik und Publikum nicht immer einig sind, ob sie den gleichen Film gesehen haben, das ist normal. Erst recht bei Filmen von Til Schweiger, die Kritiker vor Kinostart gar nicht erst zu sehen bekommen. Der "deutsche Kinogigant" ("Bild") reagiert traditionell eher dünnhäutig auf Kritik. Er machte zum Beispiel vernichtende Kritiken mit dafür verantwortlich, das "Head Full Of Honey" in den USA grandios floppte. Der Film ist ein ziemlich szenentreues Remake seines eigenen Kassenschlagers "Honig in Kopf" (2014), für den in Deutschland mehr als sieben Millionen Eintrittskarten verkauft wurden.

Der Film lief in den USA in vier Kinos, spielte etwa über 11.000 US-Dollar ein und wurde nach einer Woche abgesetzt. Viel wurde hierzulande darüber gelästert, dass Schweigers extra für den US-Markt produzierte Neuauflage ebenjenem US-Markt ziemlich egal war. Zur Rechtfertigung der Schadenfreude wurde Verrisse zitiert, allerdings immer wieder die gleichen drei: Wenn sich niemand selbst ein Bild macht, kann man sogar nachvollziehen, dass Til Schweiger auf die Kritiker sauer ist.

Andererseits würde es helfen, Pressevorführungen anzubieten. Was Schweiger wiederum ablehnt. Es ist ein Teufelskreis aus Misstrauen, verletzten Gefühlen und herzlicher Abneigung. Aber er lässt sich durchbrechen: Nach einer Preview-Veranstaltung einen Abend vor dem Kinostart in Deutschland können wir sagen, wie schlecht "Head Full of Honey" wirklich ist.

Worum geht es im Film?

Der ehemalige Tierarzt Amadeus (Nick Nolte) ist an Alzheimer erkrankt und zieht deshalb aus den USA zu seinem Sohn Nick (Matt Dillon) und seiner Schwiegertochter Sarah (Emily Mortimer) nach London. Während sich die beiden vor allem mit Karriere und Ehekrise beschäftigen, kümmert sich Enkelin Tilda (Sophie Lane Nolte) um ihren Opa. Die Zehnjährige ist die einzige, die Amadeus' offensichtliche Demenz ernst nimmt: Um ihrem Opa ein paar letzte schöne Momente zu schenken, fährt sie mit ihm auf eigene Faust in einem Luxuszug (Ticketpreis: über 6000 Euro) nach Venedig in ein Luxushotel (Übernachtung: 2400 Euro), wo er einst seine Flitterwochen verbrachte. Die Flucht der beiden leitet eine allgemeine Katharsis und das damit verbundene Happy End ein.

Gibt's was Neues zu sehen?

Wer "Honig im Kopf" gesehen hat, kennt eigentlich alles - selbst einige der Drehorte. Nur das Ensemble wurde für den US-Markt neu zusammengestellt: Nick Nolte statt Dieter Hallervorden, Sophie Lane Nolte statt Emma Schweiger, Matt Dillon statt Til Schweiger, Emily Mortimer statt Jeanette Hain.

Was? Ein Til-Schweiger-Film ohne Til Schweiger?

Natürlich nicht. Der Meister gönnt sich einen kurzen Auftritt und nimmt sehr professionell eine Bestellung für Seebarsch mit bissfestem Spargel auf.

Spielt wenigstens wieder eine von Schweigers Töchtern mit?

Ja. Aber Emma hat nur einen kurzen Auftritt als Südtiroler Bauernmädchen. Sie lächelt süß.

Wie sind die anderen Schauspieler drauf?

Nick Nolte gibt alles und davon zu viel. Veronica Ferres lässt sich - in einem kurzen Auftritt - an die Brust fassen. Bei Matt Dillon und Emily Mortimer fragt man sich, warum sie unterschrieben haben. Viel Gage? Oder hatte jemand etwas in der Hand gegen sie? Statt ihrer lustlosen Pflichtübung sollte man sich lieber einen beliebigen Freitagabendfilm der ARD ansehen. Da arbeiten die Schauspieler wenigstens ehrlich.

Wie glaubwürdig ist die Geschichte?

Gar nicht. Allein, dass niemand Alarm schlägt, wenn eine Zehnjährige mit einem offensichtlich senilen Greis eine Tour durch Europa unternimmt, ist kaum vorstellbar. Aber weder Fahrkartenverkäufer, noch Nonnen in einem Kloster, noch Hotel-Concierge schöpfen Verdacht. Selbst die Londoner Polizei findet das alles okay und schlürft Kaffee aus Sponsorentassen.

Warum geht niemand mit dem Opa zum Arzt?

Gute Frage. Das weiß wohl nur Til Schweiger. Er lässt Amadeus wie im Originalfilm die Küche abfackeln, in den Kühlschrank pinkeln und eine Sommerparty sprengen. Statt Demenz gibt es die Diagnosen wie "Alte Leute sind halt so." und "Manchmal vergessen sie etwas". Die Krankheit wird auf die leichte Schulter genommen und dient als Gag-Vehikel.

Lacht denn das Publikum?

Manchmal schon. Allerdings sind die 20 Besucherinnen der Ladies' Night-Preview in einem 400-Zuschauer-Saal eines Leipziger Multiplexkinos ohnehin gut drauf. Was am Gratis-Sekt liegen könnte. Oder an den 20 Prozent Preisnachlass, die der Inhaber eines Beautysalons allen Ticketbesitzerinnen verspricht. Oder an den verlosten Thermomix-Gutscheinen.

Aber ist der Film wirklich witzig?

An drei Stellen. Opa Amadeus' Witze über siamesische Zwillinge am Steuer, die Schnurrbärte der Italiener und die Gurken von Nonnen haben immerhin Kalauerniveau. Aber eigentlich ist das Leben mit Alzheimer überhaupt nicht witzig, auch wenn es Til Schweiger als humorvolle Lebenseinstellung verkauft.

Ist der Film schlechter als das Original?

Ja. Weil er noch mehr Schmalz auf die Stulle schmiert und wirklich jede Szene in einem unwirklich gleißendem Sommerlicht gedreht wurde. Der Empathiefaktor für die Figuren ist Null, daran ändert auch die aufdringliche Musik nichts. Die Szenen passen entweder nicht zusammen oder wiederholen sich in Redundanz.

Gibt es trotzdem eine beste Szene?

Ja. Die, in der Nicks Schwiegermutter der Tee ausgeht und sie stattdessen Wodka Martini serviert. Hätte man selber gern getrunken. Alle drei Gläser.

Von Andreas Fischer

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