"Tolkien"
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 20.06.2019
Regisseur: Dome Karukoski
Schauspieler: Nicholas Hoult, Lily Collins, Craig Roberts
Entstehungszeitraum: 2019
Land: USA
Freigabealter: 12
Verleih: Twentieth Century Fox
Laufzeit: 112 Min.
Das wussten Sie noch nicht über J.R.R. Tolkien
Er ist zweifelsohne der Begründer der modernen Fantasy-Literatur: J.R.R. Tolkien. Am Donnerstag, 20. Juni, startet ein längst überfälliges Biopic über den Autor von "Der Herr der Ringe" und "Der Hobbit" in den Kinos. Nicholas Hoult ("Mad Max: Fury Road") verkörpert das Literatur- und Sprachgenie im Spielfilm mit dem schlichten Titel "Tolkien" von Regisseur Dome Karukoski. Beleuchtet wird darin vor allem die schulische und akademische Laufbahn des Engländers - und natürlich seine Zeit als Offizier im Ersten Weltkrieg.

Viele Elemente, die für das anschließende literarische Schaffen des Künstlers ausschlaggebend waren, werden im Film thematisiert: unter anderem die Romanze zwischen Tolkien und seiner späteren Ehefrau Edith Bratt, aber auch die Freundschaft zu Christopher Luke Wiseman, Robert Quilter Gilson und Geoffrey Bache Smith. Etliche Fragen zum Leben und Wirken des Philologen und Autoren werden beantwortet, doch vieles bleibt offen. Wir präsentieren weitere spannende Fakten zum berühmten Fantasy-Autoren.

Tolkien und seine drei Freunde formten die "TCBS" (die sogenannte "Tea Club and Barrovian Society", benannt nach einer Teestube im Kaufhaus Barrow's Stores) und tauschten sich über Kunst und Kultur aus - der perfekte Nährboden für die kreativen Bestrebungen der jungen Männer. Doch nur Tolkien und Wiseman sollten den Krieg überleben: "1918 waren alle meine guten Freunde tot, bis auf einen", schrieb der Brite im Vorwort zur zweiten Ausgabe des "Herrn der Ringe".

Tolkien, am 3. Januar 1892 im südafrikanischen Bloemfontein (im damaligen Oranje-Freistaat) geboren, wollte allerdings nie, dass "Der Herr der Ringe" als Allegorie betrachtet wird, die sich mit den Schrecken des verheerenden Krieges auseinandersetzt. Doch Tolkien-Forscher Tom Shippey zählt ihn zu einer Gruppe "traumatisierter Autoren", die in der "Phantastik die drängendsten und unmittelbar relevanten Fragen des ganzen ungeheuerlichen 20. Jahrhunderts ansprachen - Fragen der industrialisierten Kriegsführung, des Ursprungs des Bösen, der Natur des Menschen."

"Über Parallelen zwischen Tolkiens Leben und seinem Werk lässt sich streiten", räumt Tolkien-Biograf John Garth jedoch ein. Doch wie man es auch dreht und wendet: Tolkiens Kriegserfahrungen haben definitiv Spuren bei ihm hinterlassen - inwiefern sich diese nun im Subtext seiner Romane niederschlagen, muss möglicherweise jeder für sich selbst entscheiden.

Ein nischiges Interessengebiet

Shippey erklärt, dass man Tolkien und seinen Literatur-Kosmos möglicherweise am besten begreifen kann, wenn man seine akademische Laufbahn und sein dortiges Interessengebiet in Betracht zieht: Tolkien war Professor für Altenglisch, Mittelenglisch und die Geschichte der englischen Sprache und zeigte sich zeitlebens von alten, teils toten Sprachen wie dem Gotischen fasziniert. Er interessierte sich für Lautverschiebungen und finnische Grammatik, für die Rekonstruktion längst vergessener Sprachen und den etymologischen Ursprung von Worten, denen er oft ganze Aufsätze widmete. Doch auch das frühmittelalterliche Heldengedicht "Beowulf", die nordische Mythologie im Allgemeinen und insbesondere das finnische Nationalepos "Kalevala" ließen ihn nicht mehr los.

Man muss verstehen, was es bedeutet Philologe zu sein, um Tolkiens ungewöhnliche Interessen zu begreifen: Im weitesten Sinne lässt sich das Aufgabengebiet der Philologie als eine Kombination aus Sprach-, Literatur- und Geschichtswissenschaft mit Elementen der Soziologie und Anthropologie betrachten, wie Shippey erklärt. Weiter betont der Autor des Sachbuchs "Der Weg nach Mittelerde", dass Tolkien seiner Meinung nach "sehr viel Erfahrung darin hatte, alte Texte zu studieren und aus ihnen überraschende, aber nachvollziehbare Schlussfolgerungen über Geschichte, Sprache und alte Vorstellungen zu ziehen." Mit anderen Worten: Tolkien war so etwas wie ein Sprachdetektiv. Und aus dieser Liebe heraus lässt sich auch die Akribie erklären, mit welcher er seinen Mittelerde-Kosmos erschaffen hat.

So basieren beispielsweise die Elbensprachen Qenya/Quenya und Sindarin auf dem Finnischen respektive dem Walisischen, sogar in den militärischen Ausbildungslagern und Kriegshospitälern des Ersten Weltkrieges feilte Tolkien an seinen Kunstsprachen und den ersten Geschichten über den fiktiven Kontinent Mittelerde. Doch es sollte noch lange dauern, bis er seine ersten Prosa-Geschichten veröffentlichte. 1937 erblickte "Der Hobbit" das Licht der Welt, 1954/55 dann die "Herr der Ringe"-Trilogie. Letzteres Mammut-Werk ist eines der erfolgreichsten Bücher aller Zeiten, übereinstimmenden Quellen zufolge hat sich der Roman weltweit mehr als 150 Millionen mal verkauft - und die Faszination an Tolkiens epischer Geschichte rund um den Ringkrieg und den mutigen Hobbit Frodo Beutlin ist nach wie vor ungebrochen.

Allerdings sah sich Tolkien zur Zeit der Veröffentlichung teils harscher und völlig irrsinniger Kritik ausgesetzt. Wie Shippey schreibt, prognostizierten etliche Literaturkritiker, dass das epochale Werk bald schon vergessen sein und von kaum jemanden mehr als einmal zu Ende gelesen werde - falscher hätten sie kaum liegen können.

Der tollkühne Meisterautor

Überraschenderweise galten für Tolkien jedoch nicht seine beiden bekanntesten Bücher als Hauptwerke seines Schaffens. Als solches betrachtete er "Das Silmarillion" (1977, also vier Jahre nach Tolkiens Tod, posthum veröffentlicht). Das nicht ganz einfach zu lesende Werk erzählt unter anderem den Schöpfungsmythos von Mittelerde, enthält aber auch Helden- und Liebesgeschichten wie die von Beren und Lúthien. Das Liebespaar aus einem sterblichen Menschen und einer unsterblichen Elbin basiert auf der tatsächlichen Liebe zwischen John Ronald und seiner Edith - auf dem Grabstein des Ehepaars sind unter ihren tatsächlichen Namen daher auch ihre Mittelerde-Alter-Egos eingraviert.

Apropos, Namen: "Ein Name war für Tolkien, mehr noch als für Charles Dickens, der Ausgangspunkt einer Geschichte", wie John Garth in "Tolkien und der Erste Weltkrieg" betont. Und im Hinblick auf den Familiennamen Tolkien ergab sich dann auch eine womöglich ganz besondere Perspektive. Tolkien glaubte, dass der Name dem Deutschen entstammte und seine Vorfahren irgendwann von Sachsen nach England ausgewandert waren. Die Bedeutung schien recht offensichtlich, wenn man genauer hinsah: So nahm Tolkien an, dass sein Nachname aus dem deutschen Adjektiv "tollkühn" erwuchs. Spätere Forschungen sollten diese Theorie allerdings widerlegen.

Und doch ist "tollkühn" ein überaus passender Begriff für den Autor: Schließlich revolutionierte John Ronald Reuel Tolkien die phantastische Literatur im 20. Jahrhundert nahezu im Alleingang, indem er etliche Klischees über Bord warf und - um es salopp zu formulieren - sein eigenes Ding durchzog. Gut erkennbar ist das an folgender Neuerung Tolkiens: Elfen hatten für ihn nicht mehr klein und zierlich auszusehen, sondern waren edle, menschengroße, unsterbliche Wesen. In der deutschen Übersetzung von Tolkiens Geschichten erfolgte die Abgrenzung von der ursprünglichen Bedeutung der Elfen über den neuen Begriff "Elben" auch in sprachlicher Hinsicht sehr viel trennschärfer.

Fest steht: Kaum ein Autor hat die moderne Fantasy so sehr geprägt wie J.R.R. Tolkien. Davon zeugen nicht nur die erfolgreichen Verfilmungen seiner Geschichten durch den neuseeländischen Regisseur Peter Jackson, sondern auch die Tatsache, dass Amazon derzeit an einer ganz neuen, seriellen Adaption seiner Werke arbeitet. Wer mehr über das Leben und die Arbeit des Autors erfahren möchte, der ist mit John Garths "Tolkien und der Erste Weltkrieg - Das Tor zu Mittelerde" sowie Tom Shippeys "Der Weg nach Mittelerde - Wie J.R.R. Tolkien 'Der Herr der Ringe' schuf" sehr gut beraten.

Allerdings sind die hoch informativen Werke aus dem Klett-Cotta Verlag nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Man muss ein gewisses Vorwissen und Interesse an Sprach- und Literaturwissenschaft sowie an Geschichte im Allgemeinen mitbringen, um die Sachbücher über den Meisterautoren wirklich genießen zu können. Ist dies jedoch der Fall, erhält man faszinierende Einblicke in die Welt eines wahrhaft tollkühnen Genies.

Von Markus Schu

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