Zwischen Mafia und Maßanzug: Das sind die Kino-Highlights der Woche
Er sei kein Schneider, sondern ein "Cutter", und das Anfertigen von Maßanzügen sei keine Kunst, sondern ein Handwerk. Eines, das er ernst nimmt und mit äußerster Präzision ausführt. Bescheiden, diskret, sorgfältig, kultiviert, fachlich über jeden Zweifel erhaben und nebenbei ziemlich gerissen: Ob man ihn nun Schneider nennt oder Cutter, wohl noch nie hat jemand in einem Film so stilvoll Maßanzüge gefertigt wie Leonard Burling. Doch hinter der 50er-Jahre-Geschichte der perfekt sitzenden Dreiteiler verbirgt sich eigentlich etwas anderes: Mit "The Outfit" präsentiert Graham Moore einen der originellsten Mafia-Filme der letzten Jahre.

Doch die Kinowoche hält noch mehr bereit. Die preisgekrönte norwegische Komödie "Der schlimmste Mensch der Welt" erzählt von einer jungen Frau, die mit der eigenen Unentschlossenheit hadert, und in "Der kleine Nick auf Schatzsuche" kommt es zu einem kompletten Kino-Reboot der beliebten französischen Kinderbuch-Reihe.

The Outfit

"Ich möchte nur nicht hineingezogen werden, was immer Sie auch tun." Als ob er nicht ganz genau wüsste, was in seinem Geschäft passiert, tagein, tagaus. Der "Cutter" Leonard Burling (Mark Rylance) hat sein Handwerk in London gelernt, nun fertigt der Brite in einem eigenen Chicagoer Laden feine Anzüge. Für alle möglichen reichen Leute, vor allem aber auch für die Ganoven der Stadt, die nebenbei einen Briefkasten in Leonards Laden für ihre Geschäfte nutzen.

Jeden Tag kommt jemand vorbei, bringt ein Päckchen oder holt eines ab. Leonard stellt keine Fragen, schaut stattdessen lieber in die andere Richtung und vertieft sich noch mehr in seine Arbeit. "Wenn wir nur Engel als Kunden bedienen würden, hätten wir bald gar keine mehr." Er seinerseits muss aber bald eine ganze Menge Fragen beantworten. Nach sensiblen Tonbändern, nach einem Brief von Amerikas mächtigster Verbrecher-Organisation, nach dem verschwundenen Sohn von Mafia-Boss Roy Boyle (Simon Russell Beale).

Schriftsteller Graham Moore setzte vor einigen Jahren ein erstes großes Ausrufezeichen mit seiner Arbeit am Biopic "The Imitation Game" (2014, mit Benedict Cumberbatch), das ihm einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch einbrachte. Mit "The Outfit" legt er nun seine erste Regiearbeit vor und greift qualitativ erneut ins höchste Regal.

So arbeitete Moore unter anderem mit Kameramann Dick Pope, der auch schon für zwei Oscars nominiert war. Sein größter Trumpf in dieser Mischung aus Charakterstudie und Mafia-Thriller ist aber Hauptdarsteller Mark Rylance. Selbst schon Oscar-Gewinner ("Bridge of Spies", 2015), zeigt Rylance in "The Outfit" auf brillante Weise, dass so ein Cutter auch viel mehr sein kann als jemand, der nur schöne Anzüge herstellt.

Der kleine Nick auf Schatzsuche

Erst ging es darum, dass Nick sich ganz verrückt macht aus "Angst", einen kleinen Bruder zu bekommen, dann musste er auf große Urlaubsreise mit der Familie: Zwei "Der kleine Nick"-Filme gab es in jüngerer Vergangenheit schon, 2009 und 2014. Witzige, charmante, bisweilen hinreißend naive Geschichten aus der Perspektive eines französischen Jungen. Nur acht Jahre nach "Der kleine Nick macht Ferien" wird der berühmte Kinderbuch-Stoff von René Goscinny und Jean-Jacques Sempé für die Leinwand komplett neu aufgelegt: "Der kleine Nick auf Schatzsuche".

Die Erzählung ist wieder so angelegt, dass sie aus Erwachsenen-Sicht völlig absurd wirkt, aber eben nicht aus Sicht der Kinder. "Die Unbesiegbaren", so nennt sich die Clique um den kleinen Nick (Ilan Debrabant), weil diese Kinder immer zusammenhalten und für jedes Problem eine Lösung finden. Das hier wird jedoch eine echte Herausforderung: Nicks Vater (Jean-Paul Rouve) winkt eine Beförderung, allerdings muss die Familie dafür auch umziehen - "ganz weit weg", so versteht es Nick, und seine Kumpels sind im höchsten Maße alarmiert.

Um dieses Übel abzuwenden, denken sich Nick und seine "Unbesiegbaren" dann etwas ziemlich Pfiffiges aus: Sie wollen einen Schatz finden, so wertvoll, dass Nicks Papa auf die Beförderung verzichten kann und der Umzug sich erübrigt. Ein klassischer Nick, werden Fans der Kinderbuch-Reihe oder auch der letzten beiden Filme sagen, und so viel sei verraten: In dem liebenswürdigen, mit vielen französischen Stars (unter anderem Audrey Lamy als Mama) besetzten Kinderfilm wird wirklich ein Schatz gefunden - aber damit ist die abenteuerliche Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt.

Der schlimmste Mensch der Welt

Julie (Renate Reinsve) ist intelligent, attraktiv und begehrt, mit knapp 30 aber immer noch nicht richtig im Berufsleben angekommen, und eine Familie kann sie auch nicht vorweisen. Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer? Ganz leer, würde Julie wohl antworten. Sie ist jedenfalls wahnsinnig unzufrieden mit ihrem Leben und überzeugt, sie sei "Der schlimmste Mensch der Welt".

Die aus eigener Sicht nicht mehr ganz so junge Frau schiebt Frust, weil ihr einige Jahre älterer Freund Aksel (Anders Danielsen Lie) gerade richtig durchstartet als Comic-Zeichner, während sie weiter auf der Stelle tritt. Eines Abends begegnet ihr dann Eivind (Herbert Nordrum). Nach einer gemeinsamen Nacht denkt sie, er sei der Richtige - mit diesem Mann will sie ganz neu anfangen! Oder vielleicht doch lieber nicht? Der eine Lebensentwurf, der auf geradem Weg zum Glück führt: Julie sucht ihn wie verzweifelt, stolpert aber immer wieder über ihre eigene Unentschlossenheit und sagt den Männern dann Dinge wie: "Ja, ich liebe dich. Und ich liebe dich nicht."

Eine existenzielle persönliche Krise gepaart mit trockenem Witz und großer skandinavischer Filmkunst: Das und noch einiges mehr bietet die neue melancholische Komödie von Joachim Trier. "Der schlimmste Mensch der Welt" ist der dritte Teil seiner Oslo-Trilogie, allerdings nur lose mit den beiden Vorgängern "Auf Anfang" (2006) und "Oslo, 31. August" (2011) verknüpft. In Cannes wurde Renate Reinsve 2021 bereits als beste Darstellerin ausgezeichnet, zuletzt war der norwegische Film unter anderem auch für den Auslands-Oscar nominiert.

Von Jonas Decker

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