Rupert Everett
Hochzeitshasser und Beerdigungsfreund
Für Rupert Everett war es nie ein Problem, ständig mit seiner Sexualität konfrontiert zu werden. Der 56-jährige Brite outete sich früh. Mit seinem umwerfenden Aussehen, Witz und Eloquenz war er schnell abonniert auf die Rolle des intellektuellen Schwulen. Man erinnere sich nur an seine grandiose Performance an der Seite von Hollywood-Star Julia Roberts in "Die Hochzeit meines besten Freundes" (1997). Wenn Everett mal keinen Schwulen spielt, wird er gerne als König besetzt. So wie in seinem aktuellen Film "A Royal Night - ein Königliches Vergnügen" (Kinostart 01. Oktober). Auf dem Münchner Filmfest erhielt der smarte Engländer nun den CineMerit Award für sein schauspielerisches Schaffen.

teleschau: In "A Royal Night" spielen Sie mal wieder einen König. In diesem Fall King George IV. Wie steht es um Ihre Beziehung zum britischen Königshaus?

Everett: Ich bin kein expliziter Fan der Royals. Aber ich finde sie irgendwie ganz sympathisch, besonders die Queen. Ich persönlich mag es, Könige zu spielen - da wird man selbst am Filmset von allen hofiert. Es ist nur eine kleine Rolle, aber sie hat viel Spaß gemacht.

teleschau: Was glauben Sie, macht die Royals so beliebt?

Everett: Na ja, sie sind einfach schon so lange an der Macht. Sie geben in Großbritannien die Zeitrechnung vor. Ich meine, jeder hat irgendwie einen Bezug zu den Royals. Jeder weiß zum Beispiel, was er an jenem Tag machte, als Prinz Charles und Lady Di heirateten. Das heißt, man schaut sich die Königliche Familie an und sieht ein Stück weit das eigene Leben. Und das ist vielleicht auch das Geheimnis ihres Erfolgs - diese Beständigkeit.

teleschau: Waren Sie eigentlich überrascht, dass Sie den CineMerit Award bekommen?

Rupert Everett: Ich habe mich tatsächlich gefragt, warum ich diesen Preis erhalte. Denn ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn zum jetzigen Zeitpunkt schon verdient habe. Aber die gute Nachricht ist, dass ich ihn nächstes Jahr auf jeden Fall hätte bekommen müssen. Dann nämlich inszeniere ich meinen ersten Film "The Happy Prince" über Oscar Wilde, wo ich Hauptdarsteller, Regisseur und Autor zugleich bin. Und wenn dieser Film etwas werden sollte, stünde mir der Preis für mein Lebenswerk definitiv zu.

teleschau: Einige Szenen von "The Happy Prince" sollen ja auch in München gedreht werden.

Everett: Ja. Seltsamerweise bekam ich, als ich mit dem Drehbuch anfing, als Erstes die Unterstützung von Concorde zugesagt. Es ist ja nicht gerade einfach, einen Film in Europa zu machen. Es ist sogar ziemlich anstrengend, bis man genügend Geldgeber für ein solches Projekt gefunden hat. Die Leute von Concorde waren also die ersten, außerdem bekomme ich noch Geld vom FilmFernsehFonds Bayern. Dafür bin ich sehr dankbar. Nächstes Jahr im Mai beginnen endlich die Dreharbeiten.

teleschau: Wollen Sie mit dem Film etwas beweisen?

Everett: Nein, darum geht es nicht, denn ich glaube, ich kann so ziemlich alles schaffen. Ich wollte einfach schon lange einen Film über Oscar Wilde drehen ...

teleschau: Der ja auch homosexuell war und dafür am Ende hart bestraft wurde. Sie haben sich schon früh zu Ihrer Homosexualität bekannt. Was sagen Sie dazu, dass es inzwischen immer mehr Filme und Serien mit Schwulen gibt?

Everett: Ich finde das großartig! Es ist ja in der Regel so, dass immer die heterosexuellen Schauspieler Schwule spielen müssen. Während schwule Schauspieler, die einen Hetero spielen sollen, bis heute selten sind.

teleschau: Ihre Paraderolle ist die des geistreichen, arroganten und attraktiven Schwulen. Denken Sie, Ihre Karriere wäre ohne Ihr gutes Aussehen so erfolgreich verlaufen?

Everett: Natürlich nicht, da wäre nicht viel aus mir geworden.

teleschau: Sie selbst haben ein, sagen wir, sehr bewegtes Leben geführt - bereuen Sie manches?

Everett: Ja, eine Menge! Andererseits empfinde ich Reue als Zeitverschwendung. Es ist ja vorbei, und darüber nachzudenken, dass man etwas gemacht hat, was man nicht hätte tun sollen, bringt einen sicher nicht weiter.

teleschau: Na ja, Sie haben sehr exzessiv gelebt, gerade auch was Drogen angeht ... Was ist damit?

Everett: Ich bin daran ja nicht gestorben, ich habe mich nicht mit HIV infiziert, und mein Gehirn funktioniert auch noch ganz gut. Für mich gibt es also keinen Grund, das zu bereuen.

teleschau: Dennoch ist es erstaunlich, dass Sie nicht abgestürzt sind.

Everett: Ich wollte eben um jeden Preis als Schauspieler Erfolg haben. Das ist sicher ein Grund, warum sich meine Drogenkarriere letztlich im Rahmen hielt.

teleschau: Sind Sie eigentlich noch immer so ein Party-Hengst wie früher?

Everett: Wissen Sie, ich bin jetzt 56. Da bin ich zu alt für Partys. Ich bin generell viel ruhiger geworden und lese jetzt viel.

teleschau: Sie sagten mal, dass Sex lange Zeit der wichtigste Antrieb in Ihrem Leben war. Wie ist das heute?

Everett: Meine neue Obsession ist es, den Film über Oscar Wilde zu machen. Vorher hatte ich mein Leben tatsächlich dem Sex verschrieben. Ich musste nicht ständig Sex haben, aber ich dachte immer daran. Wissen Sie, ich will diesen Film ja seit fünf jahren machen. Seitdem ich mich nun wirklich mit meiner ersten Regiearbeit beschäftige, ist mir klar geworden, dass ich bisher nicht den richtigen Fokus hatte.

teleschau: Wollen Sie damit sagen, dass es Sex war, der Sie von dem Projekt abgehalten hat?

Everett: Natürlich, Sex hat mich von allem Möglichen abgehalten.

teleschau: Sie sehen die Dinge also inzwischen mit anderen Augen?

Everett: Mit der zunehmenden Lebenserfahrung sieht man die Dinge definitiv anders. Ich finde zum Beispiel, dass die Schauspielerei ein sehr taffes Business geworden ist. Heute wird man gefeiert und morgen kräht kein Hahn mehr nach dir. Dann wirst du wieder gefeiert, aber danach will dich wieder keiner mehr. Damit muss man umgehen können.

teleschau: Sie selbst haben sich offensichtlich verändert, gleichzeitig auch die Gesellschaft. Was halten Sie zum Beispiel von der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe?

Everett: Ich finde das großartig - auch wenn die Ehe für mich selbst nichts ist. Ich halte sie für sehr unattraktiv. Als ich klein war, wünschten sich meine Freunde und ich nichts mehr als die Scheidung unserer Eltern. Sie stritten die ganze Zeit. Die Idee, verheiratet zu sein, finde ich deshalb bis heute sehr abstoßend. Ich mag auch keine Hochzeitskleider, Blumen, Torten, Junggesellenpartys und Hochzeitsfeiern. Alles, was damit zu tun, verabscheue ich. Ich gehe auch zu keinen Hochzeiten, da sind mir Beerdigungen viel lieber. Die sind emotional befriedigender - und der Tod ist wenigstens endgültig.

teleschau: Viele homosexuelle Paare wollen Kinder. War das für Sie nie eine Option?

Everett: Nein, denn es gibt eh schon zu viele Menschen auf dieser Welt. Ich finde, es wäre besser, wenn wir weniger wären. Wir besiedeln diesen Planeten wie Kakerlaken. Wir sind alle so selbstbezogen. Das bringt uns nicht weiter!

teleschau: Das klingt jetzt ziemlich desillusioniert. Ist da kein Licht am Ende des Tunnels?

Everett: Doch, das Licht des Zuges, der angefahren kommt. (lacht)

teleschau: Was machen Sie eigentlich, wenn Ihr Herzensprojekt, der Oscar Wilde-Film, fertig ist?

Everett: Dann geh' ich wieder zum Tanzen in den Berliner Club Berghain! (lacht)

Von Heidi Reutter

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