Dolph Lundgren
Ein seltenes Exemplar
30 Jahre ist es her, dass der große Schwede erstmals auf der Leinwand auftauchte: Mit einer Kleinstrolle in "James Bond - Im Angesichts des Todes" begann Dolph Lundgren 1985 seine Filmkarriere - auch für ihn überraschend: Schließlich war der hochintelligente 1,95-Meter-Hüne zugleich promovierter Chemieingenieur und meisterhafter Karate-Kämpfer. Letzteres blieb er. Mit "Rocky IV" jedoch wurde er hauptberuflich Actionstar: Fans verehren ihn als "Universal Soldier" und "Punisher", neben Arnie, Sly und Co. gehört Lundgren zu den großen Legenden der 80-er, seit den "Expendables" auch höchstoffiziell. Nach dem Karriere-Zenit produzierte der in L.A. lebende Blonde fleißig weiter, zuletzt den Weltkriegs-Kracher "War Pigs" und das Action-Drama "Skin Trade" (beide erhältlich auf Blu-ray Disc, DVD und als Video-on-Demand). Im Interview blickt der 57-Jährige auf seine Karriere zurück und sinniert über das Älterwerden als Actionstar.

teleschau: Vor 30 Jahren sah man Sie erstmals in einem Film ...

Dolph Lundgren: Oh Mann, die Zeit verging schnell! Es fühlt sich wirklich nicht so an, als wäre das so lang her.

teleschau: Wie sehen Sie all die Jahrzehnte im Rückblick?

Lundgren: Es war ein verrückter Ritt. Die Filme brachten eine unerwartete Wendung in mein Leben. Noch ein halbes Jahr, bevor alles begann, hatte ich null Ahnung, was auf mich zukommen würde.

teleschau: Wie kamen Sie zum Film?

Lundgren: Ich modelte damals in New York. Grace Jones war meine Freundin - und sie kannte eine Menge Fotografen. Sie half mir, ein Visum für die USA zu bekommen, damit wir zusammensein konnten. Bis mir Bekannte von ihr vorschlugen, es mit dem Schauspielern zu probieren: "Du bist groß, kannst kämpfen". Ich nahm Schauspielunterricht und merkte: Cool, darüber wusstest du nichts! Für mich war das ein faszinierendes Mysterium.

teleschau: Und dann kam "Rocky" ...

Lundgren: Ja, ich erhielt schnell einige Angebote. Eines davon war dieser Boxerfilm, der sich als "Rocky IV" herausstellte. Also zog ich nach L.A., traf Stallone und trainierte. Nachdem der Film erschienen war, war nichts mehr wie vorher. Ich blickte nicht mehr zurück, es war viel zu aufregend.

teleschau: Ab wann wussten Sie: Schauspielerei plus Kampfsport - das ist es?

Lundgren: Wirklich klar war mir das nie. Es hat sich so ergeben. Ich war offensichtlich perfekt geeignet für derlei Rollen - Hollywood suchte mich aus. An der Schauspielschule lernte ich, mich und meine Gefühle auszudrücken. Von Actionfilmen war da noch keine Rede.

teleschau: Sie wollten also gar nicht unbedingt Actionheld sein?

Lundgren: Plötzlich war ich berühmt, und Actionfilme waren ein einfacher Weg, Geld zu machen. Aber auch Spaß zu haben und natürlich meinen Körper, meinen Sport und meine Kampf-Expertise dafür zu nutzen. Das machte ich die ersten 20 Jahre. Auf den Gedanken, etwas anderes zu spielen, kam ich erst vor kurzem. Man kann ja nicht laufend und in jeder Szene nur herumrennen und Leute verkloppen (lacht).

teleschau: Also sehen wir Dolph Lundgren bald in einer Romantic Comedy? So stand es auf Ihrer Facebook-Seite.

Lundgren: Das ist zwar noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Aber wahrscheinlich ja ...

teleschau: Sie wagen also Experimente?

Lundgren: Seit drei bis vier Jahren interessiere ich mich für weniger körperliche Rollen. Im nächsten Coen-Film spiele ich einen kleinen Part, in "War Pigs" habe ich auch eher eine Charakterrolle. Es liegt natürlich auch daran, dass ich älter werde. Mit den Jahren wird es schwieriger, herumzuspringen und solchen Unsinn zu machen.

teleschau: Machen Sie dennoch die meisten Stunts noch selbst?

Lundgren: Kommt drauf an. Beim Kämpfen bin ich natürlich besser als mein Double, auch beim Schießen, Fahren, sogar auf dem Motorrad. Das kann ich ziemlich gut. Geht's aber um gefährliche Dinge, wie von einem Truck zu springen oder Feuerstunts, dann kommt mein Double zum Einsatz.

teleschau: Machen Sie schneller schlapp als früher?

Lundgren: Ich trainiere immer noch sehr intensiv, habe es aber ein wenig zurückgefahren - in meinem Alter hab ich es nicht mehr nötig, so stark Workout zu betreiben wie die Jüngeren. Aber das normalisierte Fitnesstraining bringt es mit sich, dass ich mich auch nach anderen Rollen umschaue ...

teleschau: Vom Alter mal abgesehen - sind Sie vom Actionkino auch etwas gelangweilt?

Lundgren: Die Rollen verlieren auf jeden Fall ihren Charme, wenn man so viel gemacht hat.

teleschau: In welcher Hinsicht?

Lundgren: Wenn du einmal in einem "Expendables"-Film mitgespielt hast, kannst du nicht mehr einfach Waffen abfeuern oder Leute abmurksen. Das war's. Größer wird's nicht, dank Mr. Stallone. Da macht es mehr Spaß, andere Rollen zu spielen.

teleschau: Fürchten Sie nicht um Ihren Ruf?

Lundgren: Ich kann mein Image als Arschtreter und harter Typ eigentlich ganz gut dafür nutzen. Mich zum Beispiel in einer Komödie darüber lustig machen.

teleschau: Auch die "Expendables" zeigen die alten Typen ja recht ironisch. Funktioniert ernsthafte Old-School-Action nicht mehr?

Lundgren: Eine Menge junger Typen rücken nach, das Geschäft hat sich sehr verändert. Als ich begann, gab es Leute wie Schwarzenegger, der tatsächlich Mr. Universe war. Du hattest Steven Seagal, der ein Aikido-Champion war, ich selber war Europameister im Kyokushin Karate. Diese Art von Typen existiert einfach nicht mehr.

teleschau: Was glauben Sie, woran das liegt?

Lundgren: Man geht nicht mehr vom Kampfsport zum Film, das funktioniert heute nicht. Jetzt gewinnst du zuerst einen Oscar, weil du einen Behinderten spielst, oder einen schwachen, interessanten Typen. Dann kannst du Actionstar werden. Weil du dich schauspielerisch bewiesen hast. Die paar Action-Moves kann man jedem beibringen, oder man benutzt Doubles - schon sieht das gut aus und die Leute nehmen es dir ab. Das ist das neue Kino und man kann nichts daran ändern.

teleschau: Was ist außerdem anders als früher?

Lungren: Bei "Rocky IV" stand ich mit Stallone im Ring, ohne Doubles natürlich, und wir kämpften tatsächlich gegeneinander. Wenn jemand bluten sollte, musstest du künstliches Blut aus deinem Mund spucken, wenn du getroffen wurdest. Anders ging's nicht, da konnte man im Nachhinein nichts mehr machen. Die Marvel-Filme kreieren heutzutage einen neuen Typus von Actionfilm, sind recht glatt. Man braucht niemanden mehr, der wirklich kämpfen kann.

teleschau: Trauern Sie den guten alten Zeiten nach?

Lundgren: Eine gewisse Nostalgie ist da. Stallone, ich und all die Typen sind Teil einer aussterbenden Art (lacht).

teleschau: Eine Art, von der es nicht viele Exemplare gibt ...

Lundgren: Das war ja das Besondere an den "Expendables". Da trafen Leute aufeinander, die Oscars gewonnen haben, inzwischen selber produzieren. Und auf einmal hast du zehn oder elf von denen an einem Ort! Und die sind zum Teil größer, stärker, sehen besser aus. Manche sind gute Schauspieler, manche Champions im Ring. Das erdet einen wieder. Trotzdem dachte ich die ganze Zeit: Es ist grandios, Teil dieser Gruppe zu sein.

teleschau: Und es birgt auch eine gewisse Sicherheit hinsichtlich der Zukunft, oder?

Lundgren: Jeder muss irgendwie überleben. Einer wie Stallone hat seine Karriere immer wieder belebt, hat neue Technologie benutzt, aber Old-School-Storys erzählt. Oder Clint Eastwood: Der war 1987 in dem Alter, in dem ich jetzt bin. Seitdem hat er eine Riesenkarriere.

teleschau: Vor zehn Jahren gab es Gerüchte, Sie würden ihre Filmkarriere beenden. War das seitdem wieder ein Thema für Sie?

Lundgren: Ich denke jeden Morgen darüber nach, aufzuhören! Warum mache ich den Mist überhaupt? Ich sollte in Bora Bora leben, im Ozean schwimmen (lacht)!

teleschau: Klingt gut!

Lundgren: Ja, aber im Ernst: Wie jeder frage ich mich, ob ich im Leben die richtigen Entscheidungen getroffen habe. Ob es nicht einen besseren Weg gegeben hätte. Aber dann trink' ich einen Kaffee und merke: Es ist gar nicht so schlecht! Zumindest die meiste Zeit ...

teleschau: ... wann ist es denn weniger gut?

Lundgren: Meine Kinder leben in Europa, ich sehe sie nicht so oft, wie ich gerne würde. Das tut schon manchmal weh. Meine Ex-Frau wollte nicht, dass sie in L.A. aufwachsen, damit sie nicht auf negative Weise vom Showbusiness beeinflusst werden. Was eigentlich recht klug ist - so hat das Ganze wenigstens seine guten Seiten.

teleschau: Leben Ihre Kinder noch in Spanien?

Lundgren: Meine älteste Tochter ist in Schweden in einem Internat, kommt aber auch nach Spanien ins Haus ihrer Mutter. Dort wohnt auch meine Jüngste.

teleschau: Die beiden sind jetzt fast im richtigen Alter, um sich Ihre Filme anzusehen.

Lundgren: Ein oder zwei haben sie schon gesehen. Als Ida, die Ältere, klein war, sah sie einmal, wie ich mit ein paar Kumpels eine Action-Szene schaute, in der ich ordentlich vermöbelt wurde, überall war Blut. Sie fing an zu weinen und wegzurennen. Verdammt, dachte ich. Und versuchte, es ihr zu erklären: Es ist nur Ketchup! Das weiß sie jetzt.

teleschau: Als Vater zweier Töchter muss es auch schwer sein, einen Film wie "Skin Trade" zu drehen, in dem es um den Handel mit jungen Frauen geht.

Lundgren: Es war wirklich hart. Ich habe mir tatsächlich vorgestellt, wie meine jüngste Tochter in einem dieser Käfige sitzt. Das hat mich auch nach dem Dreh eine ganze Weile beschäftigt.

teleschau: Kann ein Actionfilm derlei Zustände überhaupt kritisieren?

Lundgren: Es ist schwer, wir haben es mit "Skin Trade" ja versucht. Das perfekte Beispiel wäre "Blood Diamond". Es gibt Filme, bei denen eine Menge Action im Vordergrund steht - die aber eine Botschaft vermitteln. In "Skin Trade" thematisierten wir Menschenhandel und die Behandlung von Frauen - da muss man schon den richtigen Ton treffen, sich fragen: Wie viel Unterhaltung darf sein?

teleschau: Erreicht man dadurch vielleicht mehr Menschen?

Lundgren: Wenn man auch nur das Leben einer einzigen Person ändern könnte, würde das ja schon reichen.

teleschau: Gelingt das durch das Zeigen der Brutalität besser?

Lundgren: Ich weiß nicht, ob ein subtiles Drama besser ist oder hartes Actionkino. Nehmen wir "Taken", einen auch bei Frauen sehr erfolgreichen Film. In Wirklichkeit ist es natürlich nicht so leicht, von L.A. nach Frankreich zu fliegen, 20 Leute zu killen, deine Tochter zu retten, zurück zu fliegen und zu sagen: "Danke Schatz, bis Montag dann" (lacht). Im realen Leben wärst du für 20 Jahre im Gefängnis, sofern du alles überlebst. Es ist eine Art Märchen. Ob das die Aufmerksamkeit auf Menschenhandel lenkt - keine Ahnung. Die Auswirkungen eines Films merkt man erst sieben, acht Jahre später - egal, wie viel Geld er eingespielt hat.

teleschau: Über "Rocky" redet man auch heute noch.

Lundgren: Ja, vor allem über "Rocky IV". Der erste Teil ist meiner Meinung nach zwar ganz klar der beste. Aber der vierte hatte irgendetwas, das die Leute faszinierte - die Kalter-Krieg-Thematik, die Rivalität zwischen mir und Stallone ...

teleschau: Wenn Fans Sie auf der Straße erkennen - sind Sie dann immer noch Ivan Drago?

Lundgren: In Europa kennt man mich als Dolph Lundgren, den Kampfsportler. In den Staaten hingegen vor allem aus "Rocky", die Kids aus den "Expendables". In Russland ist es noch mal anders, weil ich viele Russen gespielt habe (lacht) ...

teleschau: Eine Legende sind Sie anscheinend überall ...

Lundgren: Es gibt eben nicht mehr so viele Typen, die seit 30 Jahren Filme machen - und dabei immer noch sehr gut aussehen. Ich glaube, einer davon bin ich. Wenn die Leute mich in Realität sehen, sind sie geschockt. Es gibt wenige Stars, die in echt so aussehen wie in ihren Filmen (lacht). Ich verstecke mich nicht und lauf immer so rum, wie ich bin.

teleschau: Das macht Ihnen nichts aus?

Lundgren: Meine Freundin sagt immer: "Setz dir doch mal eine Sonnenbrille oder einen Hut auf!" Das ist doch albern. Soll ich vielleicht noch einen falschen Bart ankleben?

teleschau: Ist Ihnen der Trubel manchmal zu viel?

Lundgren: Ja! Neulich war ich mit meinen Kids auf einer Jacht in Italien unterwegs. Ohne Computer, auf mein Handy hab ich nur selten geschaut. Es hat sich großartig angefühlt. Man muss nicht immer wissen, was in der Welt gerade passiert. Es ist eh immer der selbe Scheiß: ein neuer Krieg, irgendwer wird umgebracht, andere scheffeln noch mehr Geld. Egal ob du heute in die Nachrichten schaust oder vor 50 Jahren.

teleschau: Können Sie dem entgehen?

Lundgren: Ich traf einen dieser Meditations-Gurus - der riet mir: Mach eine Pause von den News und der Technik. Das macht einen nur nervös und gestresst. Wenn ich etwas älter bin, kann ich vielleicht den ganzen Tag am Strand liegen.

teleschau: Bora Bora erwähnten Sie ja schon - eine realistische Option?

Lundgren: Es ist immer im Hinterkopf! Momentan will ich noch die Möglichkeiten im Showbusiness ausloten. Außerdem ist meine Freundin jünger - die will nicht mit so 'nem alten Typen auf einer Insel stranden und die Möwen beobachten (lacht).

Von Maximilian Haase

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