Loriot
Ein Pirol aus Preußen
"Ich hatte merkwürdigerweise nie in meinem Leben einen Plan", sagte Vicco von Bülow einmal. Er habe nach dem Krieg als Holzfäller gearbeitet, um Lebensmittelmarken zu bekommen. "Und ich habe es so manches Mal bereut, dass ich nicht Holzfäller geblieben bin." Zum Glück tat er es nicht. Deutschland ohne seinen Humor möchte man sich gar nicht vorstellen - und muss nun doch genau das erleben: Mit Loriot, so sein besser bekannter Künstlername, verlor das Land den vielleicht großartigsten Humoristen, den es je hatte. Der Karikaturist, Regisseur und Schauspieler starb vor fünf Jahren, am 22. August 2011, in Ammerland am Starnberger See an Altersschwäche. Er wurde 87 Jahre alt.

Als Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow kam Loriot am 12. November 1923 in Brandenburg zur Welt. Charakteristisch, dass der Spross einer preußischen Adelsfamilie seine Herkunft nie verleugnete, sondern ironisch unterlief. Das Wort "Loriot" kommt aus dem Französischen und bedeutet "Pirol". Der Vogel ist das Wappentier derer von Bülow. Ein selten bunter Vogel war auch der Träger dieses Namens: Loriot ist der Erfinder knollennasiger Comicmenschen und ein Vertreter des ach so seltenen deutschen Humors, der nicht blöde und dennoch zum Totlachen ist.

Jeder kennt die umwerfenden Szenen, wenn Loriot im schwankenden Flugzeug verzweiflungsvoll vornehm zu dinieren versucht, wenn ihm bei der Liebeserklärung die Spaghettinudel nicht von der Wange will, wenn er in einer Fernseh-Parodie als Professor Grzimek über die Steinlaus doziert. Sorgfältiger, genauer als hierzulande üblich pflegte er die Pointen zu setzen, war sein Timing geplant. Nicht nur nach eigenem Empfinden legte der Neurosenliebhaber immer wieder menschliche Abgründe frei.

Er erhielt Doktorhüte und Honorarprofessuren, das Bundesverdienstkreuz dazu. Sein Witz wurde auch staatlich anerkannt. Das war nicht immer so. In den prüden 50-ern stellte der "Stern" nach Leserprotesten eine Cartoon-Serie mit dem Titel "Auf den Hund gekommen" ein, und in den späten 60-ern weckte "Müller-Lüdenscheidt" ebenso den Protest der Deutschen wie das "Ehepaar Hoppenstedt". Loriot gelobte damals sofortige Besserung, hielt aber glücklicherweise sein Versprechen nicht.

"Wir gelten als das Land, in dem ein Mann seine Frau meuchelt, nur weil sie die Zahnpastatube falsch ausdrückt. Wir stehen für D-Mark und Autos. Unser Seelenleben, wie wir stolpern, wie wir scheitern, wie wir irren, zählt nicht", wusste Loriot um das Selbstbild der Deutschen und ihr Ansehen im Ausland. Keiner hat diesen Missstand mit größer Akkuratesse und Pedanterie zu beheben versucht. An einem Sketch, so bekannte er einst, arbeitete er "von acht Stunden bis zu acht Jahren". Was seine Pingeligkeit anbetreffe, so sei er noch "viel schlimmer" als sein Ruf, sagte er in einer Talkshow.

1988 war das, da schon im Rückblick auf sein großes Oeuvre formuliert. "Ich schaffe die Arbeit nicht mehr", verabschiedete sich Vicco von Bülow 1978 mit "Loriot VI" von den Fernsehbildschirmen, um "an neue Grenzen zu stoßen". Bis dahin konnte das Allroundtalent immerhin auf 16 Bücher in verschiedenen Sprachen, einige Schallplatten und 28 eigene Fernsehsendungen zurückblicken.

"Das Alter ist nicht der erwartete beschauliche Ausklang", klagte er 2002 im Interview mit dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung". Die Genussfähigkeit und die Weisheit nähmen nicht zu, "die kleinen Übel" gingen einem langsam auf die Nerven. Der Meister besorgt: "Karl Valentin sagte, man liest jeden Tag die Traueranzeigen, damit man weiß, wer noch lebt. Eine gewisse Ängstlichkeit macht sich breit, die Ungewissheit über die Fortdauer der Gesundheit." - Die Ungewissheit ist weg, eine große Leere ist geblieben. Schwer vorstellbar, dass es einen wie Loriot noch mal geben wird.

Zu Loriots Ehren sendet das Erste am Sonntag, 21. August, 15.05 Uhr, den Komödienklassiker "Loriots Ödipussi" (1987).

Von Johann Ritter

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