Mel Gibson
Echter Krieg und Gottes Beistand
Desmond Doss war der erste US-Soldat, der mit der "Medal of Honor", der höchsten militärischen Auszeichnung seines Heimatlandes, ausgezeichnet wurde, obwohl er nie eine Waffe getragen hatte. Erzählt wird dessen Geschichte im bewegenden Anti-Kriegsepos "Hacksaw Ridge - Die Entscheidung" (Start: 26.1.), für das Mel Gibson (61) nach zehn Jahren wieder auf den Regiestuhl zurückkehrte und prompt mit einer Golden-Globe-Nominierung belohnt wurde. Damit endet auch eine Phase, in der die öffentliche Wahrnehmung des Amerikaners vor allem durch Negativschlagzeilen über alkoholisierte Autofahrten und verbale Ausfälle geprägt war. "Bitte anschnallen, ich bin zurück auf dem Fahrersitz", kommentiert Gibson seine Wiederkehr und beeindruckt im Gespräch mit lässiger Ironie und biblischem Rauschebart.

teleschau: Die Kampfszenen in "Hacksaw Ridge - Die Entscheidung" gehören zu den gewalttätigsten, die es im Kino je zu sehen gab. Zugleich sind sie realistischer als in vielen anderen Kriegsfilmen ...

Mel Gibson: In der Schlacht um Okinawa wurde zum ersten Mal Napalm als Waffe eingesetzt, neben Bomben und Granaten. Es war eines der grausamsten Gefechte des Zweiten Weltkriegs. Wir versuchten, das nachzustellen. Es gibt heutzutage zum Glück filmtechnisches Equipment, mit dem man das sehr realistisch tun kann. Wir wollten den Horror zeigen, den die Menschen da durchstehen mussten. Um diesen Horror zu vermitteln, kann man kaum drastisch genug sein.

teleschau: Was begeistert Sie an Ihrer Hauptfigur?

Gibson: Desmond Doss war von seinem Glauben so beflügelt, dass er Übermenschliches leistete. Dieser filigran gebaute Mann seilte innerhalb von acht Stunden 75 verletzte Männer an der "Hacksaw Ridge" genannten Klippe ab, unterhalb derer die Amerikaner gelandet waren. Alle zehn Minuten einen Körper. Dabei wog er selbst kaum mehr als 70 Kilogramm.

teleschau: Treibt Sie selbst auch göttliche Inspiration an?

Gibson: Besser: Drogen (lacht). Im Ernst, wenn man so einen Film in 59 Tagen mit einem Budget von nur 40 Millionen Dollar drehen soll, dann fragt man sich schon, wie das ohne göttlichen Beistand funktionieren sollte. Wir hatten für die Schlachtszenen nur halb so viel Zeit, wie mir damals bei "Braveheart" zur Verfügung stand. Und 40 Millionen Dollar sind normalerweise das Budget für einen großen Independentfilm. Ich bin dennoch der Auffassung, dass unser Film nach mehr als einem Independentfilm aussieht.

teleschau: Doss' Leben war geprägt von seinem Glauben und seinen unerschütterlichen christlichen Werten. Welche Werte prägen Ihr Leben?

Gibson: Die schwierigste Aufgabe im Leben, mit der ich auch selbst laufend ringe, ist es, die eigenen Unzulänglichkeiten zu überwinden. Alle Menschen haben Macken und Fehler. Man muss versuchen, das zu überwinden, was angeboren in uns liegt. Liebe scheint mir ein guter Weg zu sein. Das beeindruckt mich an Desmond Doss. Dem ging es ausschließlich um seine Mitmenschen. Er hat sein Leben riskiert, ohne eine Waffe zu haben, um seine Kameraden zu retten - nicht nur seine Kameraden, auch japanische Soldaten. Das fand ich beeindruckend und auf jeden Fall wert, erzählt zu werden.

teleschau: Warum ist dieser Film dann nicht schon zu seinen Lebzeiten entstanden?

Gibson: Für ihn wäre es unvorstellbar gewesen, sich dermaßen zu exponieren. Bereits Ende der 40er-Jahre versuchten Hollywoodstudios die Filmrechte an seinem Leben zu bekommen. Sie schickten sogar den damaligen Star Audie Murphy, der ja selbst nicht nur Schauspieler, sondern auch dekorierter Weltkriegssoldat gewesen war. Aber nichts konnte Doss überzeugen. Schließlich vermachte er die Rechte seiner Kirchengemeinde. Ich glaube, sie hatten ihn davon überzeugt, dass seine Geschichte Inspiration für andere sein könnte.

teleschau: Kam es Ihnen nicht manchmal verrückt vor, eine so uramerikanische Geschichte mit australischen und englischen Schauspielern und ausschließlich in Australien zu produzieren?

Gibson: Das hat doch wunderbar geklappt! Sogar unser Ausstatter Barry Robison stammte aus Sydney, auch wenn er einen Teil seiner Kindheit in den USA verbrachte. Als wir den fertigen Film in Desmonds Heimatort Lynchburg im US-Bundestaat Virginia vorgeführt hatten, fragte mich ein Zuschauer, wie wir das dortige Krankenhaus so originalgetreu wieder hergerichtet hätten, er sei selbst dort geboren worden. Unser Filmkrankenhaus stand aber in Australien. Unsere Darsteller sind ohnehin alle international orientiert. Sam Worthington, Hugo Weaving und Andrew Garfield könnten in Figuren aller möglichen Nationalitäten schlüpfen.

teleschau: Auffällig in der englischen Originalfassung ist Andrew Garfields Südstaaten-Slang ...

Gibson: Andrew kam das erste Mal ans Set und sprach bereits mit dem Akzent aus der Gegend von Desmond Doss' Heimatstadt Lynchburg. Er hielt das konsequent durch, sogar beim Abendessen sprach er wie Desmond. Ich habe so was als Schauspieler selbst noch nie gemacht. Aber es hat bei Andrew unglaublich gut funktioniert.

teleschau: Spielten Sie jemals mit dem Gedanken, nach Australien zurückzuziehen? Sie wuchsen nahe Sydney auf und besitzen ein Haus dort.

Gibson: Das habe ich gerade verkauft. Ich war für dieses Filmprojekt ein ganzes Jahr in Australien. Es war alles sehr vertraut, so, als ob ich ein bequemes Paar Schuhe anziehen würde, das perfekt passt. Ich habe in dieser Zeit Leute wieder getroffen, mit denen ich an der Highschool befreundet war. Komischerweise haben wir jetzt alle Falten.

teleschau: Aber ansonsten war alles wie früher?

Gibson: Es war fantastisch. Ich kam zurück, wir grillten, brachten uns gegenseitig auf den aktuellen Stand, und ich entschuldigte mich gleich mal bei jedem.

teleschau: Wofür?

Gibson: Ach, für alles und jeden. Ich kann mich auch prophylaktisch gleich mal bei Ihnen entschuldigen. Ich weiß zwar nicht wofür, aber ich tue es mal. Irgendetwas wird schon passieren, dafür können Sie dann die Entschuldigung nehmen.

teleschau: Muss sich "Mad Max"-Regisseur George Miller bei Ihnen entschuldigen, dass er "Ihre" Rolle ohne Sie wiederbelebte?

Gibson: Gar nicht! Ich liebe George Miller, weil er als Filmemacher immer ein Garant für spektakuläre Optik ist. Auch der Schnitt des Films - grandios! Bei der Vorführung in Los Angeles saß ich neben George und habe an den passenden Stellen gelacht. Er fragte: "Warum lachst Du da?" Ich antwortete: "Weil Du einfach ein kranker Irrer bist." Er wusste mein Kompliment zu schätzen (lacht).

Von Kerstin Lindemann

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