Anthony Hopkins
In 16 Minuten zu Weltruhm
Die dämonische Präsenz, die er in Jonathan Demmes "Das Schweigen der Lämmer" an den Tag legte, zementierte seinen Status als einer der versiertesten Charakterdarsteller weltweit. Dabei benötigte Sir Anthony Hopkins gerade mal 16 Minuten Leinwandzeit, um in der Literaturverfilmung einen psychopathischen Antagonisten für die Ewigkeit zu spielen. Der Lohn: ein Oscar, sogar als bester Hauptdarsteller. Zwei weitere Male sollte er den eloquenten Kannibalen Dr. Hannibal Lecter noch spielen, in Ridley Scotts "Hannibal" und Brett Ratners "Roter Drache". Hopkins selbst hielt andere seiner Darbietungen jedoch für besser. Noch besser? Mag sein. Dass er einer der Besten seiner Zunft ist, konnte er mit zahlreichen, hochgelobten Leistungen in Filmen wie "Was vom Tage übrig blieb" oder auch in jüngster Zeit im Biopic "Hitchcock" unter Beweis stellen. Doch Demut und Bescheidenheit gehören zum Wesen des walisischen Mimen, der am 31. Dezember sein 80. Lebensjahr vollendet.

Angefangen hat seine Karriere im Theater. Von 1960 bis 1963 studierte Anthony Hopkins an der renommierten Royal Academy of Dramatic Art in London, zwei Jahre später nahm ihn Schauspieltitan Sir Laurence Olivier unter seine Fittiche. Dass "Shakespeare und die ganzen Klassiker" zwar gut fürs Renommé, aber nicht zwangsläufig auch fürs Portemonnaie sind, das gab Hopkins' Vater ihm bereits in jungen Jahren mit auf den Weg. Sein großes Vorbild Richard Burton, der genau wie er Waliser war, konnte sich seinen Sportwagen schließlich nicht durch Kunstfilme leisten. Auch wenn Hopkins das ganze Hollywood-Trara immer als höchst sonderbar empfunden hat, mit all dem wichtigtuerischen Getöse, so ermöglichten es ihm doch seine Engagements in hochbudgetierten Filmen, sich und seine Familie finanziell abzusichern - und das war ihm auch stets bewusst.

Eigentlich wollte er ja Musiker werden, doch Filmfans weltweit sind dankbar, dass Hopkins' Schicksal etwas anderes für ihn vorgesehen hatte. Kunst und Kommerz hielten sich in seinen schauspielerischen Engagements immer irgendwie die Waage. Zweimal führte er selbst Regie, bei seinem Experimentalfilm "Slipstream" komponierte er sogar selbst die Musik - den Traum vom eigenständigen Künstler durfte er sich wenigstens kurzzeitig erfüllen. Neben drei gelungenen Ausreißern in Blockbuster-Gefilde durch seine Rolle als nordischer Göttervater Odin in Marvels "Thor"-Trilogie, hat Hopkins in den letzten Jahren aber auch in ziemlich viel Ausschussware und einigen Flops mitgewirkt: B-Movie-Banalitäten wie "Collide" oder "Die Vorsehung" nebst Kassengift wie "The Wolfman", "Alexander" oder "Die Legende von Beowulf" sorgten für Kratzer an seinem Denkmal. Doch den Darsteller, der mit Regie-Legenden wie Oliver Stone ("Nixon"), Steven Spielberg ("Amistad"), Francis Ford Coppola ("Bram Stoker's Dracula"), David Lynch ("Der Elefantenmensch") und fünfmal mit Richard Attenborough ("Die Brücke von Arnheim") Filme für die Ewigkeit abgeliefert hat, kümmert das sicher wenig.

Gerade durch seine Rolle als undurchsichtiger Vergnügungsparkerfinder knüpft er in der TV-Serie "Westworld" wieder an alte Schauspielglanzleistungen an - die zweite Staffel ist für 2018 angekündigt. Als Papst Benedikt XVI. wird er demnächst in Fernando Mereilles' "The Pope" für Netflix vor der Kamera stehen. Mit Fernsehen oder dem, was man heute in Zeiten von Streaming und VoD noch als solches bezeichnet, hatte er bereits Anfang der 1980-er gute Erfahrungen gemacht: 1981 wurde er für seine Darstellung als Adolf Hitler in "Der Bunker" mit dem Emmy ausgezeichnet. Ein erster Grundstein für seine Rolle als monströser Kult-Kannibale Hannibal Lecter war hiermit bereits gesetzt. Auch wenn er Antagonisten und Bösewichte wie kein Zweiter darzustellen vermag, so begeisterte Hopkins auch in Dramen wie "Shadowlands", wo er den "Narnia"-Erfinder C.S. Lewis verkörperte.

Attenborough bezeichnete Hopkins einmal als "den besten Darsteller seiner Generation." Um sich diesen Status zu verdienen, musste sich der Charaktermime aber nicht nur vor der Kamera, sondern auch im wahren Leben behaupten. Dem Alkoholismus schwor Hopkins Mitte der 1970er-Jahre ab, mit seiner Legasthenie und dem diagnostizierten Asperger-Autismus lernte er umzugehen.

Anthony Hopkins gilt als menschenscheuer Einzelgänger sowie hochgradig professioneller Schauspieler. Beim Hineinversetzen in seine Rollen schwört er auf ein ganz eigenes System: seine Drehbuchpassagen schreibt er mehrmals ab und spricht sie dann so lange vor sich hin, bis sie ihm in Fleisch und Blut übergegangen sind. Ungewöhnlich, aber sicherlich wirkungsvoll. Ob er für seine Rolle in Michael Bays Destruktions-Orgie "Transformers 5", der an den Kinokassen eine sagenhafte Bauchlandung hinlegte, ebenso viel schauspielerische Sorgfaltspflicht hat walten lassen, ist nicht bekannt. Dass er den Krachbumm-Regisseur jedoch in einem Atemzug mit Scorsese, Spielberg und Stone als Genie bezeichnete, hingegen schon. Fauxpas oder kalkulierter PR-Sprech? Wie dem auch sei. Sein Engagement in "Westworld" hat Anthony Hopkins, der 1993 von der Queen in den Adelsstand erhoben wurde, zurück zu altem Glanz verholfen, der auch von fragwürdigen Engagements nicht besudelt wird. Im Endeffekt ist eben jede Legende auch nur ein Mensch. So viel Pragmatismus würde dem Geburtstagskind sicherlich gefallen.

Von Markus Schu

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