Karoline Herfurth
"Es gäbe viel zu hexen!"
Ihre Verwandlungsfähigkeit hat Karoline Herfurth in der Vergangenheit schon öfter unter Beweis gestellt: Ihre Rollen reichten von der strengen Lehrerin über eine krebskranke Fußballerin bis zum Vampir. Nun verwandelt die 1984 in Ost-Berlin geborene Schauspielerin sich in "Die kleine Hexe" (Start: 1. Februar). Die erste Realverfilmung des gleichnamigen Kinderbuchklassikers von Otfried Preußler überzeugt mit viel Detailverliebtheit und charmanter Nostalgie - und dreht sich dabei um die Frage nach Gut und Böse, Richtig und Falsch. Im Interview verrät Karoline Herfurth, welche Werte ihr wichtig sind und warum die Welt dringend eine kleine Hexe gebrauchen könnte.

teleschau: Frau Herfurth, wie war es, beim Blick in den Spiegel plötzlich eine Hexennase zu sehen?

Karoline Herfurth: (lacht) Ehrlich gesagt total toll, denn ich habe sofort die kleine Hexe gesehen. Wir haben vorab mehrere Maskentests gemacht und verschiedene Größen ausprobiert. Die Nase, die ich im Film trage, ist nur drei Millimeter lang, hat aber trotzdem einen großen Effekt. Wir hatten auch eine mit sechs Millimetern, das war noch mal etwas ganz anderes! Ich habe übrigens sehr dafür gekämpft, dass ich eine Hexennase trage. Es war großartig, ein Hilfsmittel zu haben, das alles, was man mit dem Gesicht macht, verstärkt und fantastischer werden lässt.

teleschau: "Die kleine Hexe" ist seit Generationen ein Kinderbuch-Klassiker. Was verbinden Sie damit?

Herfurth: Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, als ich das Buch zum ersten Mal vorgelesen bekommen habe, aber ich habe "Die kleine Hexe" auf jeden Fall durch die Stimme meiner Mama kennengelernt. Sie hat mir das Buch bestimmt drei oder vier Mal vorgelesen. Ich bin damit tatsächlich groß geworden.

teleschau: Was hat Ihnen daran so gut gefallen?

Herfurth: Die kleine Hexe selbst. Weil sie so kindlich ist, weil sie Lust hat, Abenteuer zu erleben, und weil sie einen großen Gerechtigkeitssinn hat. Weil sie so mutig ist und so viele verschiedene Sachen erlebt, Lust auf Schabernack und so viel Humor hat. Man kann sich als Kind sehr gut mit ihr identifizieren.

teleschau: Welche Charakterzüge der kleinen Hexe teilen Sie?

Herfurth: Genau wie sie kann ich Ungerechtigkeiten sehr schwer ertragen. Schabernack treibe ich auch ganz gerne mal. Außerdem ist sie ganz schön faul beim Lernen. Das war bei mir auch immer so, dass ich erst auf den letzten Drücker richtig losgelegt habe. Ich war kein Fließ-Lerner, der sich einen Plan gemacht hat und alles pünktlich konnte. Ich habe mir meistens eine Nacht vor dem Test alles reingeprügelt. Und ich finde, die Hexe ist sehr loyal. Das Wichtigste, was es in ihrem Leben gibt, sind Freundschaften, und das kann ich sehr gut nachvollziehen.

teleschau: Wann haben Sie das letzte Mal Schabernack getrieben?

Herfurth: Das ist eine gute Frage! Ich bin so erwachsen geworden, das ist furchtbar (lacht). Wenn man erwachsen ist, macht man viel zu wenig Schabernack, denn man muss ja ständig arbeiten. Aber wenn ich Drehbuch schreibe - ich entwickele gerade mein nächstes Regieprojekt - treibe ich immer ein bisschen Schabernack. Es macht wahnsinnig viel Spaß, lustige Momente zu schreiben oder in Figuren einzutauchen.

teleschau: Würden Sie manchmal gerne hexen können?

Herfurth: Oh ja, am allermeisten würde ich gerne schnipsen können und dann an einem anderen Ort sein. Ich fahre zwar gerne Zug und liebe es, sechs Stunden Zeit zum Lesen zu haben, aber bei der kleinen Hexe haben wir in ganz Deutschland gedreht. Da hätte ich mich gerne ab und zu mal von A nach B geschnipst.

teleschau: Das ist aber ein bescheidener Wunsch! Als Hexe könnte man doch die ganze Welt verändern.

Herfurth: Wenn das ginge, würde ich natürlich hexen, dass kein Kind auf dieser Welt mehr leiden muss, hungern muss oder alleine ist. Dass es keine Gewalt gibt, weder gegen Kinder, noch gegen erwachsene Menschen. Ich würde auch hexen, dass Menschen verstehen, dass man auf den Planeten aufpassen muss. Manchmal würde ich die Menschen gerne vernünftig hexen. Ach, es gäbe also viel zu hexen! Wir brauchen dringend eine kleine Hexe auf dieser Welt.

teleschau: Die Frage nach Gut und Böse, Richtig und Falsch spielt in der Geschichte der kleinen Hexe eine große Rolle. Etwas, das heute relevanter denn je scheint, oder?

Herfurth: Was gut und was böse ist, ist immer relevant. Als sehr aktuell empfinde ich die Diskussion um Werte. Was sind grundsätzliche Werte für die Menschheit und inwiefern bilden sich verschiedene Lager? Für mich war immer selbstverständlich, dass meine Werte den grundsätzlichen Werten der Gesellschaft entsprechen, aber je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass dem nicht so ist. In der momentanen politischen Lage werden andere Wertvorstellungen so stark, dass ich mich frage, wie es möglich ist, dass man im selben Land aufwächst und so unterschiedliche Werte hat. Wir leben doch in einem wohlhabenden Land, es geht uns gut. Wir sind in Frieden groß geworden - zumindest die letzten Generationen. Wie kommt man da auf die Idee, dass das eigene Recht, das eigene Leben und das eigene Glück mehr wert sind, als das eines anderen Menschen?

teleschau: Welche Werte sind Ihnen wichtig?

Herfurth: Mir sind alle liberalen Werte wichtig: Toleranz, Meinungsfreiheit. Dass man niemandem Gewalt antut oder Unglück zufügt. Das ist nicht immer einfach, weil das Leben und die globalen Zusammenhänge so komplex geworden sind, dass man manchmal gar nicht richtig weiß, mit welchen Handlungen man womöglich Unrecht zufügt. Eine der wichtigsten Aufgaben heutzutage ist in meinen Augen aber auch, sich zu informieren und politisch zu sein. Ich bin zwar in der DDR geboren, aber ich war fünf, als die Mauer gefallen ist. Für mich war es immer selbstverständlich, in einem Rechtsstaat und einer Demokratie zu leben, meine Meinung frei äußern zu können. Deswegen finde ich: Grundgesetz durchlesen und dann auch danach leben! Die Realität sieht in Deutschland leider anders aus. Es kann längst nicht jeder Mensch ohne Diskriminierung so leben, wie er möchte. Natürlich ist das ein Ideal, aber es muss das Ziel sein.

teleschau: Woher weiß ich als junger Mensch, was richtig und was falsch ist?

Herfurth: Das ist zwar eine idealistische Sichtweise, aber ich bin der Meinung, dass Menschen per se erst mal gut sind. Ich weiß, dass viele das anders sehen, aber ich glaube daran. Man sieht das bei Kindern: Wenn ein Kind weint, weinen andere direkt mit. Diese Empathie steckt in jedem und man merkt, wenn er die Grenze eines anderen Menschen überschreitet oder jemandem schadet. Das ist angeboren. Und je mehr Respekt und Achtung man selbst erfährt, desto mehr kann man geben. Es ging in unserer Gesellschaft sehr lange um Individualisierung und Selbstfindung, aber ich habe das Gefühl, im Moment rückt die Gemeinsamkeit wieder in den Vordergrund. Es geht nicht darum, immer in der ersten Reihe zu stehen. Ich stehe lieber zusammen hinten, als alleine vorne.

teleschau: Man kann von Kinderbüchern viel lernen, oder?

Herfurth: Absolut. Wenn es gute Kinderbücher sind, so wie "Die kleine Hexe", steckt da oft etwas Urmenschliches, Wahrhaftiges drin, etwas Universelles.

teleschau: Der beste Freund der kleinen Hexe ist der Rabe Abraxas. Sie selbst hatten lange ein Pferd. Konnten Sie die tiefe Verbindung zu einem Tier dadurch gut nachempfinden?

Herfurth: Bei der kleinen Hexe und Abraxas ist es ja eher eine Freundschaft zwischen zwei Fabelwesen, aber generell kann ich die Verbindung zwischen Mensch und Tier sehr gut nachvollziehen. Mein Pferd war für mich alles! Es hatte 1,83 Meter Stockmaß, das heißt bei 1,83 Meter fängt der Hals an - ein riesiges Tier. Wenn der keine Lust hat, hast du keine Chance, denn der wiegt 700 Kilo. Aber wenn dir ein Tier so vertraut, dich respektiert und liebt, dass es dir folgt, egal wo du hinläufst, dir die Schnauze auf die Schulter legt oder beleidigt ist, wenn du mal ein paar Tage nicht da warst - man kann gar nicht beschreiben, was das für ein Gefühl ist. Leider habe ich im Moment einfach keine Zeit für ein Tier.

teleschau: Sie haben in der Vergangenheit unter anderem einen Vampir, eine strenge Lehrerin oder eine krebskranke Fußballerin gespielt. Gibt es eine Rolle, die Sie in Zukunft besonders reizen würde?

Herfurth: Da gibt es so vieles! Ich würde wahnsinnig gerne mal ein Musical machen. Etwas, wo man tanzen kann oder wirklich den ganzen Körper einsetzen kann. Mich reizt auch alles, was ein bisschen artifiziell ist. Ich liebe es einfach, unterschiedliche Genres auszuprobieren. Es hat auch wahnsinnig viel Spaß gemacht, die kleine Hexe zu spielen, weil man einfach mal alle Töne richtig ausloten kann. Ich stehe sonst eher nicht auf dem Tisch und dirigiere alle Haushaltsgeräte (lacht).

Von Nadine Wenzlick

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