Wotan Wilke Möhring
"Mal fühle ich mich wie 18, mal wie 70"
Würde man Wotan Wilke Möhring mit einem Reklameslogan bewerben wollen, lautete ein erfolgversprechender Vorschlag etwa "Der Harte mit der sanften Seele". In diesem Bild steckt ebenso viel Klischee wie Wahrheit; es liegt und gefällt dem gebürtigen Detmolder. Sein neuer Kinofilm, Christian Alvarts Action-Kammerspiel "Steig. Nicht. Aus!" (Start: 12.4.), unterstreicht abermals jene schauspielerische und charakterliche Ambivalenz, die der "Tatort"-Star auch mit 50 noch hegt und pflegt. Warum er nichts gegen ein bestimmtes Image einzuwenden hat, was sich mit zunehmendem Alter dennoch ändert und wie die Vater-Rolle ihn dabei prägte, verrät Wotan Wilke Möhring im Gespräch.

teleschau: In Ihrem neuen Film sitzen Sie fast die gesamte Zeit fahrend im Auto. Sind Sie selbst gefahren?

Wotan Wilke Möhring: Ja, ich bin alles selbst gefahren. Einige Fahrten, vor allem mit den Kindern, haben wir allerdings auch im Studio gedreht. Aber das meiste ist an den Originalschauplätzen im echten Auto gedreht worden.

teleschau: Vor allem sind prominente Plätze Berlins zu sehen - etwa der Gendarmenmarkt.

Möhring: Genau, da mussten beim Dreh zumindest immer zwei, drei Fahrspuren gesperrt werden. Alle Fahrzeuge drumherum sind eingerichtet; die wissen, was passiert. Der Gendarmenmarkt war etwa zehn Tage nur für uns gesperrt.

teleschau: Wurden Sie vorher befragt, welcher Typ Autofahrer Sie sind?

Möhring: Nee, es gab noch nicht einmal ein Fahrtraining. Das wurde vorausgesetzt. Aber natürlich ist alles abgesichert und viel mit professionellen Stuntleuten gedreht. Aber das Lustige ist ja eigentlich, dass es für mich kein Actionfilm war. Für mich war es ein Kammerspiel auf kleinstem Raum. Ich hätte das auch in Unterhose spielen können - im Auto sitzend, eine nach innen sich fressende emotionale Implosion. Viel mehr, als etwas nach außen zu schreien oder in die Physis umzusetzen. Das war sehr schwer und zermürbend, zudem arschkalt - und ich war abends ziemlich erledigt.

teleschau: Wie kann man sich bei all dem Stress auf eine derartige Bandbreite an Emotionen einlassen?

Möhring: Man muss sich fallenlassen können. Ich habe ein großes freundschaftliches Vertrauensverhältnis zu Regisseur Christian Alvart, das ist wichtig. Und dann muss man immer in der Situation bleiben, das gehört zum Handwerk. Egal ob es kalt ist, ob es stinkt oder ob du Hunger hast.

teleschau: Wieder war es eine Rolle die Ihrem Schauspieler-Ruf entspricht: der harte Typ, der aber auch Emotionen zeigt ...

Möhring: Ja, vielleicht trage ich persönlich auch etwas davon in mir. Und natürlich kenne ich dieses Bild aus vielen meiner Rollen. Aber ob das nun zu mir passt, darauf habe ich beim Drehbuch-Lesen ehrlich gesagt nicht geschaut - da gilt eher: Wenn du es zweimal aus der Hand legst und sagst "Nee, les ich später weiter" - dann ist es schon kacke (lacht). Ich bin ja auch Zuschauer - nur analytisch, das machst du nicht.

teleschau: Haben Sie sich bei der Vorbereitung an ähnlichen Filmen orientiert?

Möhring: Nein, gar nicht. Aber klar, gibt es eine Menge in diesem Genre - "Leg nicht auf" etwa, oder "Speed". Wir müssen ja auch den Film nicht neu erfinden. Ich finde es auch überhaupt nicht schlimm, mit einem spannenden Film wie "Speed" verglichen zu werden. Das wertet eher auf.

teleschau: Als Darsteller von Actionfilmen, Krimis und Thrillern steht Ihr Körper oft im Vordergrund. Nervt das manchmal?

Möhring: Meine Figuren haben schon immer eine sehr physische Komponente. Aber wenn ich im Film nackt sein muss, und das nichts mit der Geschichte zu tun hat, fragt man sich schon manchmal "Warum?". Andererseits hat man durch ein gewisses Image schon einen Benefit. Ich finde es Quatsch, dieses Image ändern zu wollen. Robert De Niro wollen wir als Robert De Niro sehen! Das ist ein Wert. Und damit auch nachvollziehbar, dass Menschen dich so sehen und besetzen.

teleschau: Würden Sie sich dennoch freuen, mal etwas ganz anderes angeboten zu bekommen - etwa eine Rolle als Literat oder Intellektueller?

Möhring: Klar, wenn ich darin eine größere Herausforderung sähe, als dieses "Mal was anderes spielen". Ich bin aber auch der Überzeugung, dass man nicht alles spielen kann. Schließlich sieht man in einem visuellen Medium zu 85 Prozent deine Fresse und wer du bist (lacht). Wenn jemand Großes einen kleinen Typen spielt und man eigentlich denkt: "Digger, steh auf und hau ihn um", finde ich das lächerlich.

teleschau: Kann sich ein Image im Laufe der Jahre ändern?

Möhring: Ja, das Altern macht schon einiges - gerade lass ich mir für eine Produktion einen Bart stehen. Zudem spielt eine Rolle, dass man biografisch reifer wird. Zum Beispiel habe ich jetzt drei Kinder, das sind auch in der Schauspielerei Bereicherungen. Man erweitert sein Spektrum, verfeinert bestimmte Wege, die vorher grober wirkten. Eine Weisheit oder Güte zu spielen, die man vorher nicht geglaubt hätte, ist jetzt durchaus möglich.

teleschau: Sie wurden letztes Jahr 50. Haben Sie sich da auch über derlei Dinge Gedanken gemacht?

Möhring: Nee, null! Allerhöchstens vielleicht die Tatsache, dass meine Kinder sehr jung sind. Bei vielen 50-Jährigen ist es eher der Gang der Dinge, dass die Kinder ausziehen. Das ist bei mir nicht so. Ich fühle mich auch nicht wie 50; vielleicht ist 50 das neue 30 (lacht). 49 hat kein Schwein interessiert, 50 finden plötzlich alle super berichtenswert. Mal fühle ich mich wie 18, mal wie 70.

teleschau: Konnten Sie für "Steig. Nicht. Aus!" etwas aus Ihrem Vater-Dasein schöpfen?

Möhring: Du denkst nicht, dass die Kinder im Film deine wären. Du weißt aber, wie ein Vater empfindet. Dass du alles machen würdest; nicht, um deinen Arsch zu retten, sondern deren. Diese privaten Erfahrungen kann man legitimerweise in die Figuren reinbringen. Die Situation wird es nicht geben, dass ich mit meinen Kindern in 'nem Auto auf einer Bombe sitze. Was aber deren Verlust ausmachen würde, diesem schrecklichen Zustand kann man versuchen nachzuspüren.

Von Maximilian Haase

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