Claudia Cardinale
Die Powerfrau mit den schönen Augen
"Ach, ich war ein Kind voller Komplexe und empfand mich als hässliches Entlein. Hatte kein Selbstbewusstsein. Erst als sich Didou, der attraktivste Junge der Schule, in mich verliebte, dachte ich: So mies kannst du also nicht sein." Dass Didou das Besondere schätzte, hätten in den folgenden Jahrzehnten Millionen von Männern blind unterschrieben. Mit Claudia Cardinale verhielt es sich stets wie mit hervorragenden italienischen Rotweinen, die ausgezeichnet altern und mit den Jahren immer besser werden. Und auch wenn es altersbedingt inzwischen ruhiger um sie geworden ist, umgibt die Diva bei ihren seltener gewordenen Gala-Auftritten nach wie vor jede Menge Grandezza. Am 15. April vollendet "C.C.", die Traumfrau mit den feurigsten Augen Hollywoods, ihr 80. Lebensjahr.

Die am 15. April 1938 in Tunis geborene Tochter sizilianischer Auswanderer kam nur durch mehrere Zufälle zum Film, nachdem sie von ihrer Familie zu einem Schönheitswettbewerb mitgeschleift wurde: 1957 wurde das Mädchen, das sich einst für "extrem hässlich" hielt, zur "schönsten Italienerin Tunesiens" gekürt und gewann eine Reise zu den Filmfestspielen in Venedig, wo ihre Leidenschaft für den Film geweckt wurde.

Eine Karriere als Schauspielerin hatte die junge Claude Joséphine Rose Cardinale da aber immer noch nicht im Sinn. Als sie nach Rom zog, um am Centro sperimentale di cinematografia zu studieren, wollte sie noch Forscherin werden. Denn sie liebte die Freiheit und das Abenteuer. Nach ihrem Auftritt in Venedig wurde sie jedoch von Filmleuten und sogar dem damals schon bekannten Omar Sharif angefleht, bis sie nach einem halben Jahr in Rom zusagte und 1958 - neben Sharif - in "Goha" ihr Leinwanddebüt feierte.

Cardinales Filmproduzent und späterer Ehemann Franco Cristaldi, der sie unter Vertrag nahm, brachte sie mit seiner Filmgesellschaft groß raus und stilisierte sie zum Sexsymbol. Aber dafür nahm er viel. Er kontrollierte ihr Aussehen, ihre Ernährung und ihren Umgang. Auch ihren Sohn Patrick, den sie mit 17 aus einer Vergewaltigung bekommen hatte, musste Claudia Cardinale verleugnen und als ihren kleinen Bruder ausgeben, weil er nicht in das Bild passte. Kein geringer Preis für die freiheitsliebende Abenteurerin. Vielleicht fand sie in der Kunst ein Stück von jener Freiheit, die sie suchte. Denn in dieser frühen Zeit entstanden mit ihr Meisterwerke von Luchino Visconti wie "Rocco und seine Brüder" (1960) oder "Der Leopard"(1962), Filme, in denen sie mit Alain Delon ein "Traumpaar des Europäischen Filmes" abgab.

Claudia Cardinale durfte am Anfang nicht einmal mit ihrer eigenen Stimme in ihren Filmen auftreten. Diese war für den Geschmack ihrer Filmgesellschaft viel zu dunkel und heiser und wurde daher syncronisiert. Auch das schmerzte sie sehr. Erst in "Achteinhalb" (1963) von Federico Fellini, der auch sonst sehr große Stücke auf sie hielt, durfte sie zum ersten Mal mit ihrer eigenen Stimme sprechen. Es war der granz große Durchbruch. Nach diesem Film erhielt Claudia Cardinale Angebote aus Hollywood, die sie auch gleich annahm. Im selben Jahr war sie mit "Der rosarote Panther" schon auf der internationalen Bühne zu sehen. Zu ihrer schnellen steilen Karriere sagte sie 2014 dem "Tagesspiegel": "Man muss für diesen Job innerlich sehr stark und gefestigt sein. Andernfalls weiß man bald nicht mehr, wer man wirklich ist." Die Cardinale hatte die Persönlichkeit dazu.

Und vielleicht reizte gerade diese charakterliche Stärke viele frühere Wegbegleiter. Sie wollten sie beherrschen, doch Claudia Cardinale ließ sich nicht beherrschen. Viele andere Sterne, die in jener Zeit so früh erstrahlen, verglühen, während Claudia Cardinale allmählich selbst die Kontrolle über ihre Karriere erlangte. Sergio Leones Meisterwerk "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968), in dem sie neben Charles Bronson und Henry Fonda brillierte, kann man auch als ein Sinnbild ihres Lebens begreifen: Eine Frau kommt allein in eine wilde Gegend mit vielen Männern, die alle etwas im Schilde führen, aber sie lässt sich nicht unterkriegen und hat am Ende ihr Schicksal selbst in der Hand.

1975 ließ sich Claudia Cardinale von Franco Cristaldi scheiden und zog einen Schlussstrich unter ihr altes Leben. Nun machte sie auch endlich reinen Tisch mit ihrem Sohn. Sie war zu einer der großen Diven Hollywoods avanciert, und einem Superstar konnte niemand mehr etwas vorschreiben. So viele ihrer Verehrer aus der Branche ließ sie abblitzen, egal ob Marcello Mastroianni, Alain Delon oder Sean Connery. Und sogar Marlon Brando, von dem sie eine Zeit lang geschwärmt hatte, schob sie, wie es heißt, aus der Tür hinaus.

"C.C." oder "Claudia Nazionale", wie sie vor allem in Europa genannt wurde, wollte Arbeit und Privatleben nicht vermengen, weil ihr die "Unabhängigkeit heilig war", wie sie 2014 erklärte. Claudia Cardinales große Liebe war ein anderer: der 2017 verstorbene Regisseur Pasquale Squitieri, mit dem von 1975 an 24 Jahre lang zusammen war und auch eine gemeinsame Tochter, Claudia, hat. Geheiratet hat sie jedoch nie mehr.

Claudia Cardinale hat sich nicht verkauft, sie wusste ihre Erotik bewusst einzusetzen und hat die Schönheit immer in der Natürlichkeit gesehen. Sie hat sich nie zum bloßen Objekt machen lassen und war stets ein selbstbewusstes stolzes weibliches Subjekt in einer patriarchalisch geprägten Zeit. Italiens "Nonna Nazionale" engagierte sich in den 70-ern als aktive Frauenrechtlerin, wandelte das Bild der introvertierten Schönheit aus den Jugendjahren in das einer selbstbewussten Dame, die sagt, was sie denkt. Claudia Cardinale war kurzum eine echte "Powerfrau", lange bevor diesen Begriff jemand kannte. Dafür wurde sie 2009 mit dem Worlds Women Award geehrt.

In Würde altert, wer sich treu bleibt - und wer nicht dazu neigt, den alten Zeiten nachzutrauern. Dem Image des wohlgeformten Püppchens der 50er- und 60er-Jahre, über das der große Federico Fellini in einem Brief an den Drehbuchautor Brunello Rondi einst schrieb "Stell' dir Claudia Cardinale vor - schön, blutjung und dennoch reif, innerlich gefestigt ... sie verkörpert die unverfälschte Natur", weint C.C. keine Träne nach. "Der Gedanke an meine Falten macht mir nichts aus", sagte sie einmal. "Ganz im Gegenteil - ich finde, dass gerade ein weibliches Gesicht ab diesem Zeitpunkt so richtig interessant und aussagekräftig wird." Es sei "wichtig, sich zu akzeptieren, wenn man in den Spiegel schaut".

Von Maximilian Krimmer

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