The Happy Prince
Filmbewertung: enttäuschend
Starttermin: 24.05.2018
Regisseur: Rupert Everett
Schauspieler: Rupert Everett, Colin Firth, Emily Watson
Entstehungszeitraum: 2018
Land: D / B / I
Freigabealter: 12
Verleih: Concorde Filmverleih
Laufzeit: 106 Min.
Rupert Everett
Zum Abgrund, im Galopp!
"The Happy Prince" (Start: 24.Mai) heißt nicht nur das cineastische Herzensprojekt von Rupert Everett, sondern auch eine Sammlung von Märchen aus der Feder von Oscar Wilde. Der irische Autor steht im Mittelpunkt des Dramas, dessen Hauptfigur Everett selbst verkörpert und das er, als glühender Anhänger von Wilde, auch selbst inszeniert hat. Aber anders als in vielen Filmen über den Schriftsteller steht nicht dessen launige Gesellschaftskritik im Mittelpunkt, sondern das Lebensende des verheirateten Familienvaters, der verarmt und krank im Pariser Exil lebte, nachdem er wegen seiner Homosexualität im Zuchthaus eingesessen hatte. Im Interview spricht Rupert Everett über die Faszination Oscar Wildes, Spiegel und Wasserschlösser.

teleschau: Warum haben Sie den düstersten Teil in der Biografie Oscar Wildes für Ihren Film gewählt?

Rupert Everett: Als ich das erste Mal die Idee zu dem Film hatte und ein Drehbuch verfasste, war ich elf Jahre jünger als heute und hatte gerade in diversen Oscar-Wilde-Filmen mitgespielt, die recht erfolgreich waren und mir Spaß gemacht hatten. Allerdings endeten die Filme über Oscar Wilde immer spätestens mit seinem Gefängnisaufenthalt, und ich dachte mir: Es wäre gut, mal die Zeit danach zu beleuchten, als er aus dem Knast kommt. Was als vermeintlich genialer Karriereschachzug begann, endete als eine Erfahrung auf Leben und Tod.

teleschau: Warum das?

Everett: Ich schickte das Drehbuch Produzent Scott Rudin. Der fand das Drehbuch toll, wollte aber Philip Seymour Hoffman als Oscar Wilde sehen. Von diesem Punkt an lief alles in die falsche Richtung und das über Jahre hinweg. Das Projekt wurde zu einer Art Lebensaufgabe und die schiere Verzweiflung, den Film fertig zu stellen, trieb mich an.

teleschau: Sie wollten Oscar Wilde selbst spielen, aber wollten Sie von Anfang an auch selbst inszenieren?

Everett: Nein, das sollte eigentlich ein anderer übernehmen, aber ich fand niemanden. Die ersten zwei Jahre dieses Projekts habe ich damit verbracht, das Drehbuch in der Gegend herumzuschicken. Nach sechs oder acht Jahren entschied ich dann, dass ich selbst inszeniere.

teleschau: Regie-Neuling und Hauptdarsteller: Wer hat Sie am Set eigentlich auf Fehler hingewiesen?

Everett: Niemand! Es herrschte eine liebevolle Diktatur (lacht). Aber ich war nach zehn Jahren, die ich mit diesem Projekt verbracht hatte, dermaßen perfekt vorbereitet, dass ich exakt wusste, was ich machen wollte. Ich kannte den Film in- und auswendig. Für irgendetwas müssen die zehn Jahre Wartezeit ja gut gewesen sein.

teleschau: Ein Teil des Films entstand in Deutschland. Wo genau?

Everett: Die Hälfte des Films wurde in Franken gedreht. Wir wohnten in Bayreuth und drehten unter anderem im wunderbaren Wasserschloss Mitwitz. Das war viel besser als im Studio, weil solche alten Gebäude ein Eigenleben haben und sehr vielseitig sind. Wir konnten dort vom Ballsaal bis zu Pariser Restaurants und Gassen alles gestalten.

teleschau: In seinen letzten Jahren schrieb Oscar Wilde keine nennenswerten Texte mehr ...

Everett: Ja. Aber die Verbindung, die ich zu ihm habe, entstammt natürlich den unglaublichen Texten, die er davor verfasst hatte. Ich zitiere ihn ja auch laufend in meinem Film. Der Satz: "Warum stürzt man sich in seinen Ruin?", stammt von ihm. "Warum hat der Abgrund so eine Faszination?" Das ist, glaube ich, das Zentrale für Wilde.

teleschau: Und für Sie selbst?

Everett: Im Grunde bin ich mehr bourgeois als Oscar Wilde. Ich bin schon oft im gestreckten Galopp auf den Abgrund zugerannt, habe aber jedes Mal in letzter Sekunde angehalten. Wilde dagegen - und das ist ja sehr bezeichnend - war selbst im eigenen Untergang eine faszinierende Persönlichkeit. Er konnte nicht mehr arbeiten, das hat mich an der Figur angezogen. Meiner Seele hat diese Rolle aber nichts angetan. Diese Art von Schauspieler bin ich nicht.

teleschau: Macht gerade Wildes fatale Fähigkeit, sich selbst zu zerstören, ihn so faszinierend und zu einem großen Künstler?

Everett: Ich bin geneigt zu glauben, dass die Fähigkeit zur Selbstzerstörung uns menschlich macht. Aber Sie haben Recht: Es ist schon so ein typisches Künstlerding. Auch wenn es viele Künstler gibt, die besser auf sich aufpassen, als Oscar Wilde das getan hat. Picasso zum Beispiel. Der hätte sich niemals in den Abgrund gestürzt, höchstens in die nächste Bankfiliale.

teleschau: Wilde war verheiratet, hatte zwei Kinder. Homosexualität in seiner Zeit öffentlich zu leben, war ausgeschlossen. Warum gab er sich dennoch seiner Beziehung zum schillernden Lord Douglas hin, die ihm zum Verhängnis wurde?

Everett: Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs faszinierte Oscar Wilde die halbmondäne Welt sehr. Er flirtete mit ihr wie jemand, der auf einen Spiegel zugeht - und dann auf dessen andere Seite tritt. Im Exil war dann diese Welt die Seine. Seine Freunde stammten aus der Halbwelt, waren zum Teil kriminell, niemand mit stabilem Umfeld. Wildes alte Welt war verschwunden und er selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr kreativ. Er sagt an einer Stelle sogar selbst: "Ich habe geschrieben, als ich das Leben nicht kannte. Als ich es dann kennengelernt hatte, gab es nichts mehr zu schreiben."

Von Margarete Richter

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