Robert De Niro
Sperriger Großmeister
"Er ist der Beste, mehr weiß ich nicht." Ein Satz von Martin Scorsese. Jenem Regisseur und Weggefährten, mit dem Robert De Niro seine wohl bedeutendsten Filme drehte. Eine durchaus doppelbödige Aussage, die gleich zwei Kernfakten über den Mimen verrät, der über Jahrzehnte als Amerikas Benchmark für Schauspielkunst galt. Zum einen belegt sie Scorseses gewaltigen künstlerischen Respekt vor dem Hauptdarsteller von "Taxi Driver" oder "Wie ein wilder Stier". Zum anderen lässt Scorsese durchblicken, dass selbst er sich nicht sicher ist, De Niro wirklich zu kennen. Ähnlich Bob Dylan, De Niros musikalisches Pendant als amerikanischer Großkünstler, ist der gebürtige New Yorker trotz einer Dauerpräsenz der Werktätigkeit als Mensch ein Unbekannter geblieben. Bislang brachte er es auf zwei Darsteller-Oscars, fünf weitere Nominierungen und sechs Kinder aus unterschiedlichen Beziehungen. Am 17. August feiert Robert De Niro seinen 75. Geburtstag.

Nur wenige Straßen voneinander entfernt wuchsen Martin Scorsese, Harvey Keitel und De Niro im New Yorker Stadtviertel "Little Italy" auf. Schon ihr erster gemeinsamer Film war richtungweisend. Unter Scorseses Regie ließen Keitel und De Niro 1973 in "Mean Streets" - Deutschland benannte den Film "Hexenkessel" - ihren Improvisationsfähigkeiten freien Lauf. Über große Strecken von spontanen Einfällen De Niros beherrscht, ist auch "Taxi Driver" das düstere Psychogramm eines Menschen auf der Suche nach Identität. Der Film begründete den Mythos De Niros, ja der modernen Schauspielkunst in Filmen an sich.

Woher De Niros Künstler-Gen stammt, ist leicht nachzuvollziehen. Sein Vater, der 1993 verstorbene Maler Rober de Niro sen., gilt als einer der führenden abstrakten Expressionisten der USA. Trotzdem lebte die Familie während Robert juniors Kindheit in Armut. Die Mutter, Virginia Admiral (1915-2000) war Poetin und ebenfalls Malerin. Als Typistin soll sie für die Schriftstellerin Anaïs Nin gearbeitet haben. Kunst also, wohin man schaut. Nach der frühen Trennung der Eltern galt Robert lange Zeit als blasses, scheues Kind, das zu einem ebensolchen jungen Mann heranreifte. Auf der Theaterbühne, die De Niro früh als Ausdrucksmittel entdeckte, war es jedoch anders. Mit verschiedenen Stücken und Ensembles tourte er in den 60-ern durch die USA.1963 stand er für "The Wedding Party", einem frühen, an der französischen Nouvelle Vague orientierten Film Brian De Palmas, erstmals vor der Kamera. Mit dem späteren Starregisseur drehte er zu Beginn der Karriere sogar mehrere Filme, die ihre Zeit jedoch kaum überdauerten.

Die große Karriere kam Anfang, Mitte der 70-er. Mit Martin Scorsese und Francis Ford Coppola. Ab 1974 zerrte sich der Schauspieler durch brutale Körpereinsätze in "Taxi Driver" oder "Wie ein wilder Stier", für das er 30 Kilo zunahm, wie ein Schauspiel-Inferno durch den Ring. De Niro machte das Wort "Method Acting" einer breiten Öffentlichkeit erst verständlich. Der Mime verschmolz mit seinen Rollen. Niemand übte und lebte sie so intensiv wie er. De Niro spielte bis zur Selbstaufgabe und ohne Angst vorm Risiko. Siebenmal wurde er für den Oscar nominiert. 1975, als junger Vito Corleone in "Der Pate II" gewann er den ersten in der Kategorie Nebendarsteller. Für das epochale Boxerdrama "Wie ein wilder Stier", für viele Experten eine der besten Schauspielleistungen der Filmgeschichte, folgte 1981 Oscar Nummer zwei.

Nominierungen erhielten darüber hinaus "Taxi Driver" (1977 holte Peter Finch für "Network" die Hauptdarsteller-Trophäe), "The Deer Hunter" (1979), "Zeit des Erwachens" (1991), Kap der Angst (1992) und "Silver Linings" (2013). Nachdem De Niro in den 70-ern als reiner Drama-Spezialist galt, zeigte er sich ab den 80-ern immer öfter in Komödien und leichteren Stoffen. Einmal räumte er selbst mit einem verbreiteten Vorurteil auf. "Manche Leute sagen, Drama sei leicht und Comedy sei schwer", meinte der für eher kurze, knurrige Statements bekannte Schauspieler. "Stimmt nicht. Wenn man ein Drama dreht, verbringt man den ganzen Tag damit, einen Typen mit einem Hammer totzuschlagen. Oder man muss ein Stück aus dem Gesicht von jemandem beißen. In einer Komödie brüllst du eine Stunde lang Billy Crystal an und kannst anschließend nach Hause gehen", so die Leinwandlegende.

Der Privatmann Robert De Niro ist nahezu unbekannt. Der medienscheue Darsteller gab von jeher selten Interviews. "Warum ist es so wichtig, wo ich zur Schule gegangen bin oder welche Hobbys ich habe?", sagte er einmal dazu. "Ich war nie einer dieser Schauspieler, der sich selbst als faszinierenden Menschen preist. Ich musste früh entscheiden, ob ich ein Schauspieler oder eine Persönlichkeit sein will."

Aber auch privat blieb der New Yorker, der sich dem Lebensmittelpunkt Hollywood ein Leben lang erfolgreich fern hielt, der Verwandlung treu. De Niro hat sechs Kinder aus drei Beziehungen. Das jüngste, erst 2011 geboren, kam mithilfe einer Leihmutter zur Welt. Auch als Vater beschreibt sich De Niro, glühender Unterstützer der demokratischen Partei, mit typisch zwiespältigen Worten: "Familie ist eine wichtige Sache, auch wenn ich heute mit meinen Kindern stets im Clinch liege."

Wer geschönte Aussagen über Leben, Liebe und Kunst hören will, sollte lieber nicht den knochigen Mittsiebziger mit dem berühmten Schauspielnamen fragen. Selbst seine Filme, so De Niro, würde sich der Großschauspieler normalerweise nicht ansehen. "Ich schlafe dabei ein", sagt er. Nur das Drehen scheint diesen Mann noch wach zu halten. Zurzeit jedenfalls ist kein Ende seiner Karriere in Sicht.

Zuletzt lieferte sich De Niro ein Privatduell mit Donald Trump. Bei der Verleihung der renommierten Tony-Awards im Juni 2018 postierte er ein explizites "Fuck Trump" in Richtung der Zuschauer und der übertragenden Fernsehsender. Danach diskutierte Amerika kontrovers über die expliziten Worte. Auf jeden Fall waren sie ein sicheres Zeichen dafür, dass es in De Niro immer noch brodelt wie im Hexenkessel. Späte Meisterwerke jenes Mannes, dessen Name fast schon synonym für die Schauspielkunst steht, sind nicht auszuschließen.

TV-Ausstrahlungen zu Robert De Niros 75. Geburtstag:

"In der Lüge gefangen", Donnerstag, 16.08., 0.25 Uhr, MDR

"Der Liebe verfallen", Donnerstag, 16.08., 0.50 Uhr, Servus TV

"Die durch die Hölle gehen", Freitag, 17.08., 22.25 Uhr, 3sat

"Ohne Limit", Freitag, 17.08., 22.50 Uhr, RTL II

"Kurzer Prozess - Righteous Kill", Samstag, 19.08., 0.05 Uhr, ZDF

"Backdraft - Männer, die durchs Feuer gehen", Samstag, 19.08., 1.35 Uhr, ZDF

Von Eric Leimann

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