Der Vorname
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 18.10.2018
Regisseur: Sönke Wortmann
Schauspieler: Florian David Fitz, Justus von Dohnányi, Caroline Peters
Entstehungszeitraum: 2018
Land: D
Freigabealter: 6
Verleih: Constantin
Laufzeit: 91 Min.
Florian David Fitz
"Wir sind alle egoistische Wesen"
"Man muss nicht immer alles ernst nehmen", erklärt Florian David Fitz und zeigt damit gleichzeitig das Motto seines neuen Films "Der Vorname" (Start 18.10.) auf, in dem er eine Hauptrolle spielt. Als Thomas gibt Fitz bekannt, er wolle seinen Sohn Adolf nennen - das trifft nicht allerorten auf Verständnis, und eine hitzige Diskussion entbrennt. Ernste und gesellschaftskritische Thesen fliegen durcheinander, doch der Zuschauer darf trotzdem lachen. "Der Film ist humoresk politisch, aber nicht politisch korrekt", erklärt Florian David Fitz. Im Interview verrät der sympathische 43-Jährige außerdem, wie er auf den Namen Adolf reagieren würde, warum er ein politisches Neutralitätsgefühl hat und warum man Adidas tragen darf, obwohl der Schöpfer doch auch ein berühmter Adolf war.

teleschau: Wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen jemand erzählt, dass er sein Kind Adolf nennen möchte?

Florian David Fitz: Ich würde fragen: "Seid ihr vollkommen bescheuert?" Das arme Kind kriegt jeden Tag eine aufs Maul oder Applaus von der falschen Seite. Adolf kannst du dein Kind leider einfach nicht nennen. Das willst du doch deinem Kind nicht antun. Natürlich ist es auf eine Weise vollkommen absurd, weil der Name wirklich nichts dafür kann.

teleschau: Ihre Rolle Thomas verficht allerdings den Namen Adolf. Hat er mit manchen Argumenten Recht?

Fitz: Meine Rolle hat sicherlich gute Argumente, sonst wäre das Ganze ja nicht spannend. Einiges ist aber auch Bullshit. Der Name Adolf war früher ganz normal, erst nach 1945 hat es etwas bedeutet, wenn ein Kind Adolf genannt wurde. Es ist aber in Ordnung, die Schuhe von Adolf Dassler am Fuß zu tragen. Auch den Adolf-Grimme-Preis hat noch niemand wegen des Namens zurückgegeben.

teleschau: Wie politisch ist denn "Der Vorname"?

Fitz: Der Film ist humoresk politisch, aber nicht politisch korrekt. Es wird alles infrage gestellt, das sieht man auch gut an Stephan, gespielt von Christoph Maria Herbst. Er ist unglaublich bildungsbürgerlich und hat eine ganz bestimmte Meinung zur Vergangenheit. Das wird nun angebohrt, auf eine lustige, nicht zu ernste Weise.

teleschau: Darf man denn über die Vergangenheit, insbesondere die NS-Zeit und Hitler, Scherze machen?

Fitz: Viele Filme haben immer wieder bewiesen, dass man darüber lachen kann. Das heißt noch lange nicht, dass man damit das Leid vergisst, dass die Deutschen über die ganze Welt gebracht haben. Lässt man außen vor, dass Hitler so extrem gefährlich war, hatte er doch etwas Albernes, Spießbürgerliches an sich. Man denke nur dran, wie er in aller Ruhe mit seinen Sekretärinnen Kaffee getrunken und Kuchen gegessen hat, während die Welt brannte. Aber über Ereignisse wie den Holocaust wird man nie lachen, da ist einfach nichts Lustiges dran.

teleschau: Sollten sich Prominente in die Politik einmischen?

Fitz: Ich stehe momentan genau vor dieser Frage. In Bayern sind jetzt Landtagswahlen, und ich gehe selbstverständlich wählen. Aber ich weiß nicht, ob ich die Partei, der ich meine Stimme gebe, auch öffentlich unterstützen soll. Auch wenn es albern klingt, habe ich ein innerliches Neutralitätsgefühl. Das ist genau das Gegenteil zu Amerika, wo die Stars sich dauernd in die Politik einmischen. Ich kann den Menschen sagen: "Geht wählen" oder "Tretet für eure Meinung ein!" Aber ihnen zu sagen, sie sollen die Partei wählen, die ich wähle, das widerstrebt mir noch. Andererseits möchte man auch nicht der falschen Seite, zum Beispiel den Rechten, Argumente überlassen ...

teleschau: Wie wichtig sind in diesem Zusammenhang prominent besetzte Talkrunden und Debatten?

Fitz: Ich finde alle Bürger sollten mitreden. Aber mitreden heißt nicht nur rausblöken, sondern auch zuhören und die Schwierigkeiten der Demokratie begreifen. Demokratie ist nicht gleichzusetzen mit: Mein Wille geschehe. Sondern Demokratie bedeutet, dass Politik auch einhergeht mit Kompromissen und Streit. Aber auch mit einem Grad von Verlogenheit und leider auch einem gewissen Grad an Populismus.

teleschau: Wie meinen Sie das?

Fitz: Demokratie ist immer anfällig für Populismus, weil jede Partei Stimmen fangen muss. Dagegen kann man nur angehen, indem die Leute sich selbst an die Nase fassen. Mich stört am momentanen Klima, dass man sich zu wenig traut, die Wähler anzupacken und zu sagen: Ihr seid verantwortlich für das, was hier läuft. Nicht die Politik. Die Bürger müssen sich informieren, sie müssen mitmachen und nicht immer nur auf die Politik schimpfen. Ich möchte manchmal einfach sagen: Stell' du dich mal da oben hin und versuche, das geregelt zu kriegen, bei dieser komplizierten Weltlage!

teleschau: Lernen die Deutschen denn aus ihrer Geschichte oder wiederholt sich gerade alles?

Fitz: In der Theorie gebietet die Logik, dass sich die Geschichte nicht wiederholen sollte. Wir sind aber keine logischen Wesen. Der Mensch als Gefühlswesen lernt immer nur so viel, wie er selbst erfahren hat. Und nachdem der Krieg weiter in die Vergangenheit rückt und die letzten, die das miterlebt haben, aussterben, stehen die nächsten auf, die all die schrecklichen Erfahrungen nicht mitgemacht haben. Die Menschen, die jetzt aufstehen und die Meinung anderer niederbrüllen, ihnen aufs Maul geben und denken, sie hätten gewonnen, verstehen nicht, wie gefährlich das ist. Wenn die Meinungsfreiheit weg ist, könnte jeder die nächste Minderheit sein.

teleschau: Wie viel kann ein Film in so einer Debatte mitmischen oder die Zuschauer beeinflussen?

Fitz: Das ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, wie groß die Debatte ist, die ein Film lostritt. Bei "Willkommen bei den Hartmanns" haben wir uns zum Beispiel im Vorfeld gefragt, ob die Leute überhaupt reingehen. Wollen sie noch etwas über die Flüchtlingsdebatte hören? Was der Film dann bewirkt hat, war, dass die Leute sich kurz entspannt haben. Man muss nicht immer alles ernst nehmen. Ein Film kann auch anregen und Fragen stellen, aber ich bin nicht so naiv, dass ich glaube, dass ein Film komplett eine Gesellschaft oder den Menschen formen kann. Wir nehmen immer etwas mit, es pflanzt sich in uns ein, aber es sind meistens eher die subtilen Sachen, nicht die offensichtlichen.

teleschau: Beim Blick aufs Kinoprogramm hat man das Gefühl, die Produktionen werden immer aufwendiger und größer. Wie kommt ein Film wie "Der Vorname", der nur in einem Haus spielt, dagegen an?

Fitz: Ich glaube nicht, dass die Überschneidung des Publikums so groß ist. Wer in einen Marvel-Film geht, der kauft sich danach keine Karte für "Der Vorname". Das sind unterschiedliche Interessensgruppen. Aber wir brauchen Filme aller Arten.

teleschau: Sie sind oft Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor in einem. Ist es schwer, sich dann wieder von einem anderen Regisseur leiten zu lassen?

Fitz: Ganz im Gegenteil, es ist sehr angenehm. Egal, welche Rolle ich bei der Produktion übernehme, ich war schon immer der Typ, der Fragen gestellt hat. Die Antworten dazu muss der Regisseur geben. Das fanden alle Regisseure, auch Sönke Wortmann, bisher gut und wussten es zu schätzen.

teleschau: Sie haben blindes Vertrauen zum Regisseur?

Fitz: Ja, denn sonst würde man mit dem jeweiligen Regisseur erst gar keinen Film machen. Wir sind alle egoistische Wesen, und an erster Stelle steht, dass man selbst eine gute Leistung erbringt. Wenn das jeder so sieht, entsteht auch ein toller Film.

teleschau: Ihr Kollege Matthias Schweighöfer hat mit "You Are Wanted" eine Amazon-Serie gemacht. Was halten Sie grundsätzlich von den Streaming-Diensten?

Fitz: Für mich als Schauspieler hat sich daraus etwas sehr Positives ergeben. Jetzt ist die Genrevielfalt größer. Vor acht Jahren hätte jeder gesagt, Nischenprodukte laufen in Deutschland nicht. Durch die digitalen Anbieter sind Produkte für bestimmte Zielgruppen gefragt. Das ist als Schauspieler viel interessanter, sonst müssten wir bis an unser Lebensende Krimis, Komödien und Fernsehfilme spielen.

teleschau: Aber das Fernsehen leidet unter der Konkurrenz ...

Fitz: Das Fernsehen wird trotzdem nicht aussterben, es wird nur anders konsumiert werden. Wir sehen doch selbst, dass wir uns nicht mehr um 20.15 Uhr vor den Fernseher setzen. Aber unser Konsumverhalten die Medien betreffend hat sich schon oft verändert. Es gab eine Zeit, da hat das Radio diese Funktion übernommen oder das Kino. Dann wurde das Kino an den Rand gedrängt, weil es hochwertiges Fernsehen in Deutschland gab. Aber auch das Kino wird nie ganz verschwinden, weil das Bedürfnis besteht, rauszugehen und mit anderen Menschen etwas auf der großen Leinwand zu erleben.

teleschau: Welche Nachteile entstehen, wenn das Fernsehen mehr und mehr an den Rand gedrängt wird?

Fitz: Es gibt nicht mehr dieses Gemeinsamkeitsgefühl, dass man fragt: "Hast du gestern den Film um 20.15 Uhr gesehen". Jetzt fragt man, ob jemand schon die neue Netflix-Serie geschaut hat. Für uns als Konsumenten ist das im Endeffekt aber keine große Veränderung. Für das Fernsehen ist es eine Herausforderung, weil es sich auf etwas Neues einstellen muss. Ich sehe es aber als Chance. Die Öffentlich-Rechtlichen können sich jetzt davon befreien, den privaten Sendern hinsichtlich der Quoten nachzueifern. Netflix zum Beispiel veröffentlicht keine Zahlen und lebt nach dem Motto: "Es ist unsere Sache, wer was schaut und was am meisten geklickt wird." Das kann kreativer machen, weil man sich nicht mehr nur an Zahlen orientiert. Die Öffentlich-Rechtlichen haben meines Erachtens jetzt die Pflicht, das zu bewahren, was verloren geht - und zwar sauber zu recherchieren. Sie müssen journalistische Standards hochhalten. Ich denke, das kann sie retten.

Von Anke Waschneck

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