Freddie Highmore im Interview
"Im Herzen bin ich noch jung"
Ob im poetischen Märchen "Charlie und die Schokoladenfabrik" (2005) an der Seite von Johnny Depp oder als Gitarrengenie August Rush in "Der Klang des Herzens" (2007) - Freddie Highmore flogen schon im Kindesalter die Herzen von Kritikern und dem Publikum zu. Der Schauspieler heimste nicht nur diverse Preise ein, sondern bekam auch Lob von höchster Stelle. Keine geringere als Hollywood-Größe Kate Winslet bezeichnete den Londoner einst als "besten Kinderschauspieler, den ich je gesehen habe". Mittlerweile ist Highmore 27 Jahre alt und hat sich zu einem der begehrtesten Serienschauspieler gemausert. Nach seiner hypnotisch-furchteinflößenden Darstellung des Psychopathen Norman Bates in "Bates Motel" steht er seit 2017 als autistischer Arzt Shaun Murphy in der Krankenhausserie "The Good Doctor" (zweite Staffel ab Mittwoch, 11. September bei VOX) vor der Kamera. Im Interview verrät er die größten Herausforderungen seiner Rolle, weshalb er nicht in den sozialen Medien aktiv ist und was ihn in seiner Jugend auf dem Boden gehalten hat.

teleschau: Hatten Sie die Gelegenheit, in der Vorbereitung auf "The Good Doctor" Menschen mit einer Ausprägung von Autismus kennenzulernen?

Freddie Highmore: Ja, ich hatte aber schon vor der Serie Kontakt zu Menschen aus meinem persönlichen Umfeld, die betroffen sind. Außerdem arbeiteten wir mit einem Berater zusammen, und Dokumentationen halfen uns herauszufinden, wie Shaun sein würde. Aber es ist wichtig, sich im Klaren zu sein, dass er niemals jeden, der sich im Spektrum befindet, gleichermaßen repräsentieren kann. So sehr es zweifellos notwendig ist, Autismus so authentisch wie möglich darzustellen, erfordert es auch, sich auf Shauns individuelle Entwicklungen und Bedürfnisse zu konzentrieren. Was bringt ihn zum Lachen und in welche Menschen wird er sich vielleicht verlieben? Diese Aspekte seiner Persönlichkeit müssen nicht zwingend mit der Tatsache zu tun haben, dass er Autismus hat.

teleschau: Warum fühlen sich so viele Menschen mit Shaun verbunden?

Highmore: Weil seine Erfahrungen in gewisser Weise universell sind. Ich denke, jeder von uns kann sich mit ihm identifizieren, in dem Sinne anders zu sein oder sich von der Gesellschaft ausgegrenzt oder diskriminiert zu fühlen. Es gibt so viel Negativität in den Nachrichten. Also warum sollte man sich danach mehr davon ansehen wollen? Ich finde es inspirierend, einen Charakter mit einem solch optimistischen Bild von Menschlichkeit zu verfolgen, der immer das Gute im Menschen sieht.

teleschau: Wollen Sie mit Ihrer Rolle zu einer bewussteren Wahrnehmung von Autisten in der Gesellschaft beitragen?

Highmore: Ich denke, es gibt eine falsche Vorstellung, dass Menschen mit Autismus frei von Emotionen oder Gefühlen sind, und das ist natürlich nicht wahr. Sie drücken es nur etwas anders aus. Hoffentlich kann die Serie diese Stereotypen herausfordern.

"Es fühlt sich nie wirklich real an"

teleschau: Von Ihrer vorherigen Serie "Bates Motel" unterscheidet sich "The Good Doctor" sehr deutlich. Würden Sie sagen, dass es in den momentanen Zeiten der Ungewissheit wichtig ist, positive Inhalte zu erzählen?

Highmore: "Bates Motel" hat sich auf eine eigene Art gut angefühlt. Daran zu arbeiten, war nicht zu finster oder deprimierend, was auch an dem Humor liegt, der der Serie zugrunde liegt. Aber ja, ich habe allgemein das Gefühl, dass es vermehrt in Richtung einer Art von Geschichten erzählen geht, die sich von der dunklen Seite abwendet.

teleschau: Was waren die größten Herausforderungen an Ihrer Rolle?

Highmore: Die Operationsszenen dauern immer viel länger als alles andere. Doch es gibt einem eine Wertschätzung für die Operationen, die Menschen in der Realität durchführen. Es ist auch eine Herausforderung, auf die bestmöglichen Perspektiven für die Kameras zu achten. Dennoch fühlt es sich nie wirklich real an. Das liegt auch daran, dass zwar jemand mit geöffneten Innereien vor dir liegt, du aber mit der Person zwischen den Aufnahmen sprichst.

teleschau: Neben Autismus wurde bei Shaun auch das Savant-Syndrom diagnostiziert, was bedeutet, dass er über einzigartige Fähigkeiten verfügt. Haben auch Sie ein geheimes Talent?

Highmore: Ich sollte ein geheimes Talent haben, das würde ich mir wirklich wünschen. Aber ich muss Sie enttäuschen. Ich wünschte, ich hätte eine bessere Antwort.

"Ich verspüre keine Abscheu gegenüber Social Media"

teleschau: Sie sind nicht auf Social Media aktiv. Bekommen Sie dennoch Rückmeldungen von Fans zu Shaun?

Highmore: Es gibt einige Leute, die mir aktuelle Tweets zeigen. Aber wissen Sie, das bedeutsamste Feedback ist es immer noch, direkt mit den Menschen zu reden. Ich verspüre keine Abscheu gegenüber den sozialen Medien, ich habe sie nur nie wirklich benutzt. Das hat mir als Kind die Trennung zum normalen Leben - also zur Schule und zur Universität zu gehen und zu schauspielern - ermöglicht.

teleschau: Obwohl Sie noch immer sehr jung sind, sind Sie bereits seit 20 Jahren Schauspieler. Was bedeutet Ihnen das?

Highmore: Ich hatte ja keine Ahnung, wow. 20 Jahre, das fühlt sich seltsam an. Ich weiß nicht, ob ich mich dadurch alt fühle oder nicht. Im Herzen bin ich auf jeden Fall noch jung. Ich bin sehr glücklich, so viele Dinge mit solch wunderbaren Menschen erlebt zu haben. Aber jetzt höre ich auf, darüber zu reden, wie alt ich mich fühle. Das klingt nicht wirklich authentisch. Doch Sie ermutigen mich, in Erinnerungen zu schwelgen.

"In London hat mich niemand als Schauspieler definiert"

teleschau: Sie standen schon als Kind vor der Kamera. In vielen Fällen schaffen Kinderstars den Durchbruch nicht. Was machte in Ihrem Fall den Unterschied?

Highmore: In London aufzuwachsen, gab mir einen Abstand zum Geschäft. Für Kinder, die in Los Angeles groß wurden, muss es deutlich schwieriger gewesen sein, diese Distanz zu bekommen. In London hat mich niemand als Schauspieler definiert. Es war nicht der entscheidende Aspekt meiner Persönlichkeit oder wirklich das, was mich täglich angetrieben hat.

teleschau: Was dann?

Highmore: Ich ging zur Schule, später in die Universität, habe Fußball gespielt und gehofft, dass Arsenal gewinnen würde. Das war der Schwerpunkt meines Lebens. Ich habe einen bodenständigen Familienhintergrund, und das Studium war sehr wichtig für mich. Diese Auszeit ermöglichte es mir, mich bewusst für die Schauspielerei zu entscheiden. So war es nicht nur eine Sache, die man als Kind getan hat und mit der man dann als Erwachsener einfach weitergemacht hat.

teleschau: Ihre Eltern arbeiten beide in der Branche. Haben Sie Ihnen je einen Ratschlag gegeben?

Highmore: Nicht wirklich. Zu Hause in London zu sein, empfand ich deutlich anders als in der Branche. Und das, obwohl meine Mutter in diesem Bereich tätig ist und mein Vater es schon lange vor meiner Geburt war. Nach Hause zu gehen fühlte sich immer wie eine Entfernung davon an.

Von Julian Weinberger

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