"Mein Ende. Dein Anfang."
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 28.11.2019
Regisseur: Mariko Minoguchi
Schauspieler: Saskia Rosendahl, Edin Hasanovic, Julius Feldmeier
Entstehungszeitraum: 2019
Land: D
Freigabealter: 12
Verleih: Telepool GmbH
Laufzeit: 111 Min.
Saskia Rosendahl im Interview zu "Mein Ende. Dein Anfang."
Die Sache mit Schrödingers Schrank ...
Es ist der Traum aller Schauspieler: einmal ganz nahe rankommen an den Gold-Glanz der Oscar-Verleihungen in Hollywood. Saskia Rosendahl, die aus einem kleinen Ort in der Nähe von Halle an der Saale stammt, war schon zweimal in ihrer steilen Karriere in dieser Situation. Noch als Schülerin wirkte sie an dem deutschsprachigen Antikriegsdrama "Lore" mit, das 2013 für Australien bei den Oscars in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" ins Rennen ging. Vor Ort mit dabei: Saskia Rosendahl. Gleich für zwei Oscars war in diesem Jahr das Künstlerdrama "Werk ohne Autor" von Florian Henckel von Donnersmarck nominiert, in dem die heute 26-Jährige ebenfalls eine Hauptrolle übernommen hatte. Ein derart großer Rummel wird ihrem neuen Film womöglich nicht zuteilwerden. Sehenswert ist das raffinierte Liebesdrama "Mein Ende. Dein Anfang" (Kinostart: 28. November) dennoch. Im Interview spricht Saskia Rosendahl über die Gedankenanstöße, die das Drehbuch der jungen Debüt-Regisseurin Mariko Minoguchi bei ihr auslöste - und sie erzählt, warum sie eigentlich gerne Hebamme geworden wäre.

teleschau: Frau Rosendahl, in Ihrem Leben hat sich in den vergangenen Jahren enorm viel getan - mit ganz großen Filmrollen. Hätten Sie das jemals so vorhergesehen?

Saskia Rosendahl: Überhaupt nicht. Ich habe mich stark von dem treiben lassen, was so passiert ist. Nach der Schule wusste ich nicht, was ich konkret machen möchte. Immer wenn ich mir kurz mal was überlegt hatte, kam wieder ein Film rein, den ich natürlich gern drehen wollte. So ging's bisher immer weiter.

teleschau: Ein Glücksfall.

Rosendahl: Na klar, dafür bin ich auch dankbar. Ich bin jetzt seit knapp acht Jahren Schauspielerin. Das ist endlich ein längerer Zeitraum, den ich überblicken kann. Ich kann absehen, was das wohl langfristig mit meinem Leben machen wird. Sehr spannend. Vor ungefähr drei Jahren erst habe ich mich bewusst für die Schauspielerei entschieden.

teleschau: Haben Sie tatsächlich so lang mit sich gerungen?

Rosendahl: Irgendwie schon. Als ich in Los Angeles bei der Oscar-Verleihung stand, musste ich mich selbst kneifen und mir sagen: Was, wenn ich das der 15-jährigen Saskia erzählt hätte? Die hätte mir das doch nie geglaubt!

teleschau: Eine Oscar-Verleihung ist ja nun wirklich ein Ereignis, von dem auch ältere Schauspieler oft nur träumen dürfen ...

Rosendahl: Ich habe ein zwiegespaltenes Verhältnis zu Preisen. Auf der einen Seite ist es ja toll, wertgeschätzt zu werden. Und vielleicht kann man mit einem Preis in der Tasche danach auch aufgrund dessen sehr gut weiterarbeiten. Auf der anderen Seite weiß ich auch, wie politisch und subjektiv die Entscheidungen sind, wer welche Preise bekommt. Deswegen war es großartig, dass die Produktion nominiert wurde. Ich glaube, für Regie und Produktion kann so etwas ohnehin noch viel wichtiger sein. Weil aus ihnen so ein Projekt entspringt. Es ist aber nicht schlimm, solche Preise nicht zu bekommen.

teleschau: Wenn man Sie nachts wecken und fragen würde, würden Sie aber nach all diesen Erlebnissen jetzt schon voller Überzeugung sagen: Ich bin Schauspielerin!

Rosendahl: Mittlerweile schon. Vor ein paar Jahren habe ich wirklich geübt, das zu sagen. Ich lebe ja jetzt von dem Beruf und drehe auch die meiste Zeit. Obwohl ich oft noch ein komisches Gefühl dabei habe, weil ich es selbst nicht so richtig glauben kann.

teleschau: Sie hatten ja schon mal von einem eher ungewöhnlichen Plan B erzählt: Hebamme zu werden. Wie kam's dazu?

Rosendahl: Es ist ein unglaublich schöner Beruf. Irgendwann schlug ich mal eines meiner Poesiealben aus der Grundschulzeit auf. Da stand das auch schon als Berufswunsch drin. Später hat dann eine Freundin von mir ein Kind gekriegt, und ich war sehr nah dabei. Danach fing ich mit Praktika an.

teleschau: Ernsthaft?

Rosendahl: Ja klar. Für mich ist die Arbeit einer Hebamme etwas so Wahres und so Erdendes, bei der ich nie infrage stellen muss, warum ich das gerade mache. Für mich macht das einfach Sinn. Wenn ich irgendwann mal ein Kind bekomme, möchte ich selbst entscheiden können, wie alles vonstattengeht. Hebamme beziehungsweise Geburtshelferin ist ein sehr wichtiger Beruf, der Frauen zur selbstbestimmten Geburt hilft. Ich bin mir aber auch klar, dass ich das nur ganz oder gar nicht machen könnte. Jetzt stecke ich im Film - und stecke dort auch gerne.

Als Hebamme in Uganda

teleschau: Haben Sie denn auch tatsächlich schon mal eine Geburt begleitet?

Rosendahl: Ich war als Praktikantin hauptsächlich in der Vor- und Nachsorge rund um die Geburten dabei. Aber in Uganda half ich auch schon mal auf einer Geburtenstation aus und war auch bei Geburten dabei.

teleschau: Wie kamen Sie denn nach Uganda?

Rosendahl: Eine Freundin von mir war dort für ein Jahr. Als sie später wieder zu Besuch nach Uganda geflogen ist, habe ich die Gelegenheit genutzt mitzureisen. Eine andere Freundin hatte dort dann schon für das Rote Kreuz einige Zeit auf der Geburtenstation gearbeitet. Klingt vielleicht komisch: Aber wenn man dort weiß ist und im Krankenhaus rumspaziert, wird man automatisch als Ärztin wahrgenommen. Sehr skurril. Aber ich hatte das Glück, dass man mir in Uganda sehr viel zeigte.

teleschau: Wie groß ist denn die Sorge, trotz aller Erfolge vielleicht doch nicht verlässlich die guten Rollen zu kriegen?

Rosendahl: Darüber denke ich schon nach. Ich weiß, dass man sich in diesem Beruf auf nichts zu 100 Prozent verlassen kann. Deswegen überlege ich ab und zu, wie ich eventuell mal auf andere Weise Geld verdienen könnte. Ich will ja auch anderen Input bekommen. Die Schauspielerei kann einen oft regelrecht aussaugen.

teleschau: Ihr neuer Film "Mein Ende. Dein Anfang" hat durchaus große, ernste Themen - etwa den Verlust eines Partners und die Erschütterung von Urvertrauen. Solche Rollen kann man doch abends nicht einfach ablegen wie einen Mantel, oder?

Rosendahl: Das ist sehr unterschiedlich. Und es kommt auf die Szene und meine Tagesform an. Diesmal war es so: Bei dem "Todesdreh" waren wir alle sehr angespannt. Die Stimmung war sehr aufgeladen, und es war ein extrem langer Tag. Das war so anstrengend, dass ich bestimmt drei Tage lang recht fertig war. Bei "Werk ohne Autor" zum Beispiel war die Szene in der Gaskammer psychisch extrem krass und belastend. Da nahm ich viele düstere Gedanken vom Set mit. Aber oft ist es so, dass man am Set so lange warten muss und eh eine sehr technische Atmosphäre herrscht, dass es eher leicht fällt, wieder aus der Stimmung rauszukommen. Die Arbeit besteht dann darin, sich in die verschiedenen Emotionen zu pushen.

teleschau: In Ihrem Film geht es viel um scheinbare Unausweichlichkeiten und schicksalhafte Momente. Inwieweit glauben Sie selbst an solche Zufälle und daran, dass sich manches im Leben mit und anderes eher ohne Grund ergibt?

Rosendahl: Ich habe für mich selbst noch nicht so recht entschieden, ob ich mehr an Zufall glaube oder daran, dass alles vorherbestimmt ist. Beziehungsweise, inwieweit wir eine Entscheidungskraft in unserem Leben haben. In der Arbeit mit dem Film merkte ich, dass ich ein sehr lineares Zeitdenken habe. Das hatte ich bisher noch kaum hinterfragt. Unser Film gibt da in jedem Fall Anreize zum Nachdenken.

teleschau: Kann man wohl sagen.

Rosendahl: Es ist ein Gedankenspiel. Aber weil man die Wahrheit vermutlich eh nicht herausfinden kann, finde ich es gut, dass sich jeder, was die Frage der Zufälle im Leben angeht, das heraussuchen kann, womit er glücklich ist. Ich tendiere schon dazu, dass ich immer lieber einen Grund dafür finde, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Auch wenn ich den jetzt vielleicht noch nicht kenne.

teleschau: Alle Menschen, die in der Früh aufstehen und sich dann verschlafen nach und nach in den Tag schleppen, wissen nur zu gut, was ein "lineares Zeitempfinden" sein soll. Ihr neuer Film erschüttert das Denken, dass eins auf das andere folgt, ja schon recht stark.

Rosendahl: Ich mag das sehr, dass er mit den Zeitebenen spielt. Das macht den Film besonders, weil dadurch jeder Zuschauer ihn ganz anders sehen kann. Man muss die Dinge erkennen, einordnen und sich manchmal selbst einen Reim auf das Gesehene machen. Für Nora, die ich spiele, ist alles im Leben Chaos und passiert einfach. Damit arrangiert sie sich aber.

Hassliebe zu Berlin

teleschau: Obwohl Ihre Nora ja diejenige ist, die immer auf die Uhr schaut...

Rosendahl: Sie muss rechtzeitig zu ihrer Arbeit und zum Schichtbeginn kommen. Für mich war sie zunächst sehr fremdbestimmt - durch das Eiskunstlaufen, das sie sehr intensiv betrieben hat. Dadurch hatte sie kaum Freizeit. Nach ihrem Unfall hat sie sich dagegen entschieden, so weiterzumachen. So kommt sie zum ersten Mal an einen Punkt, an dem sie anfängt zu hinterfragen, was sie eigentlich will im Leben und wo ihr Platz ist. Diese Frage lässt sich natürlich nicht so leicht beantworten. Deswegen geht sie arbeiten und lebt erstmal so vor sich hin. Bis sie dann Aron trifft - mit seinem ganz anderen Zeitverständnis. Und ganz anderen Antworten auf die Frage, worum es wirklich geht im Leben.

teleschau: Klingt manchmal durchaus kompliziert. Der Film findet auf große Fragen ja oft charmant einfache Bilder. Etwa einen Geschirrschrank, aus dem die Teller und Tassen wie in derselben Einstellung mal geordnet aufgereiht und dann hinausgefallen sind. Nerds dürften da schnell an das berühmte Experiment mit "Schrödingers Katze" denken.

Rosendahl: "Schrödingers Schrank" ist ein Bild, das mir gut gefallen hat: Er ist für mich ein Symbol dafür, dass für Nora mit dem Tod von Aron die Zeit stehengeblieben ist.

teleschau: Abgeschlossen ist die Vergangenheit im Film ja nie, immer wieder tauchen schöne Erinnerungsfetzen auf. Allerdings ist nicht immer ganz klar, was davon stimmt oder was vielleicht sogar eine Selbsttäuschung ist. Kennen Sie das eigentlich selbst, dass man manchmal den eigenen Erinnerungen gar nicht so genau trauen kann?

Rosendahl: Jedem spielt das eigene Gedächtnis doch Streiche. Ich habe sogar ab und zu eine ganz konkrete Angst, was meine Erinnerungen angeht.

teleschau: Welche denn?

Rosendahl: Ich fürchte mich vor dem Moment, wenn ich mal von der Polizei befragt werden sollte, um zum Beispiel eine Zeugenaussage zu machen. Ich glaube nämlich, dass meine Erinnerung das gut verbauen könnte, wenn ich schildern müsste, was nacheinander wann passiert ist oder wie genau jemand aussah. Haben Sie von dem Experiment mit der Prügelei im Club gehört?

teleschau: Nein.

Rosendahl: Ich glaube, es ging darum, dass man verschiedenen Leuten mehrfach hintereinander von einer Schlägerei in einem Club erzählt hat, in dem sie waren. Die Sache war aber: Eine Schlägerei fand nie statt. Aber je öfter die Leute davon hörten, desto rascher fingen sie an, plötzlich selbst davon zu sprechen und sogar vermeintliche Details aus der eigenen Erinnerung zu schildern. Total absurd! Aber da sieht man eben, wie der Kopf funktioniert. Es hat Vor- und Nachteile, sich gut erinnern zu können. Manchmal finden das Vergessenkönnen und das Durcheinander ja auch zum eigenen Schutz statt.

teleschau: Sie standen unlängst für "Fabian" vor der Kamera, sind ständig unterwegs. Wo ist denn für Sie eigentlich ein Zuhause derzeit?

Rosendahl: Mittlerweile sage ich: Berlin ist mein Zuhause. Aus dem einfachen Grund, weil da mein Bett steht. Die Stadt selbst macht's mir nicht ganz so leicht, mich dort heimisch zu fühlen.

teleschau: Wirklich? Wer jung ist, muss doch angeblich in Berlin sein.

Rosendahl: Ich komme aus einer kleineren Stadt. Mein Rhythmus ist einfach anders. Ich schätze es zum Beispiel sehr, überall in zehn Minuten mit dem Fahrrad zu sein. Zu Berlin habe ich mittlerweile eine Art Hassliebe entwickelt.

Von Rupert Sommer

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