Schauspieler Robert Stadlober im Interview
"Der letzte Aufschrei eines untergehenden Weltbildes"
Anspruch vor Mainstream - wenn auf jemanden diese Devise zutrifft, dann ist es Robert Stadlober. Der blonde Berliner, der zu den charismatischsten Schauspielern im deutschsprachigen Raum zählt, ist wahrlich nicht auf den schnellen, einfachen Erfolg aus. Dabei standen dem gebürtigen Österreicher zu Beginn seiner Karriere, als er bereits im Teenager-Alter in Filmen wie "Sonnenallee" und "Crazy" brillierte, Tür und Tor in der Filmbranche offen. Doch Stadlober, dem nicht zuletzt aufgrund seiner offenen Sympathie für das politisch linke Milieu schnell der Ruf des jungen Rebellen anhaftete, ließ sich nicht verheizen. Er wählt seine Rollen mit Bedacht aus. Bevor er für publikumswirksame, aber seichte Produktionen vor der Kamera steht, spielt er lieber Theater oder auch mal für lau in kleinen No-Name-Filmen mit. Es muss schon etwas Besonderes daherkommen, damit der mittlerweile 37-Jährige Vater zweier Kinder aus seinem "Elfenbeinturmzimmer" kommt, wie er selbst sagt. Nun mischt er wieder in der Sitcom "Das Institut - Oase des Scheiterns" mit, deren zweite Staffel ab 19. März im BR Fernsehen (donnerstags, 22.45 Uhr) läuft. Stadlober, der ein begnadeter Musiker ist und mit seiner Indie-Rock-Band "Gary" schon einige Platten herausgebracht hat, ist in der preisgekrönten Comedy-Serie als leicht durchgeknallter Deutschlehrer Titus zu sehen.

teleschau: Herr Stadlober, es heißt, Sie seien in Bezug auf die Rollen, die Sie spielen, ziemlich wählerisch. Haben Sie bei der Sitcom "Das Institut" überhaupt lange nachdenken müssen?

Robert Stadlober: Nein, da hatte ich wirklich sehr schnell Lust darauf. Ich habe mich in den letzten Jahren tatsächlich leidenschaftlich gern in alle möglichen Goethe-Institute weltweit verschicken lassen. Das ging meistens über irgendwelche Kommissionen über Theater- oder Filmgeschichten, da wird man in irgendein Land geschickt und spricht dort mit den Menschen über "die deutsche Kultur". Das ist meist sehr lustig, weil es zu wahnsinnig vielen Missverständnissen kommt und es teilweise eben genau solche Begegnungen wie im "Institut" gibt.

teleschau: In den Klischees, die in der Serie reihenweise präsentiert werden, steckt also auch ein wahrer Kern?

Stadlober: Ja, das fand ich wirklich faszinierend, als ich die Drehbücher gelesen habe - die Geschichten waren teilweise deckungsgleich mit meinen Erlebnissen!

teleschau: Und der von Ihnen gespielte Titus: Ist dieser Typus Ihnen auch mal begegnet?

Stadlober: Titus ist in gewisser Art und Weise eine neue Version von einem deutschen Klischee: der neu-pedantische, eigentlich locker tuende, aber trotzdem in den alten deutschen Tugenden verharrende Digital-Nerd.

teleschau: Der in seinem Eifer Kulturvermittlung mit der Brechstange betreibt, ob die Adressaten es wollen oder nicht ...

Stadlober: Natürlich, das ist ja eine deutsche Spezialität, dass man dem Gegenüber nicht so gern zuhört, weil man ja ohnehin die richtige und einzige Meinung hat.

"Ich glaube nicht, dass Deutschland rechter geworden ist"

teleschau: Aus der Haltung heraus, das Volk der Dichter und Denker zu sein?

Stadlober: Wir haben sehr viele gute wie auch sehr schlechte Innovationen in diese Welt gebracht. Ja, "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" hat schon mal in den Abgrund geführt, und der Abgrund hat anscheinend nicht gereicht, diese Hybris auszulöschen.

teleschau: Diese Selbstüberhöhung zeigt sich ja aktuell leider auch wieder im verstärkten Nationalismus ...

Stadlober: Es fällt ja allen auf, dass es in Deutschland zwei verschiedene Richtungen gibt: Ein Großteil dieses Landes lebt schon lange in einer Welt, die ein kleiner Prozentsatz dieses Landes krampfhaft versucht zu verhindern. Und dieser kleine Prozentsatz hat noch nicht gemerkt, dass er diese diverse, kulturell-durchmischte Welt, die ihn schon lange umgibt, überhaupt nicht mehr verhindern kann.

teleschau: Aber wenn man sich die letzten Wahlen anschaut ...

Stadlober: Ich glaube nicht, dass Deutschland rechter geworden ist in den letzten Jahren. Ich glaube eher, dass die Rechten lauter geworden sind. Diese national-chauvinistischen Tendenzen wird man aus Deutschland leider nicht mehr rausbekommen. Das habe ich in meinem mittlerweile etwas fortgeschrittenen Menschenalter schon aufgegeben, zu glauben, dass man alle Menschen zu toleranten, freundlichen Geistern erziehen kann.

teleschau: Aber irgendwoher muss doch der Zulauf zur AfD kommen?

Stadlober: Es gibt jetzt eine Partei, in der sich alle die treffen, die sich vorher in einer anderen größeren Partei oder in kleinen Splittergruppen getroffen haben. Das ist teilweise erschreckend, aber teilweise vielleicht auch ganz gut, weil man weiß, wo sie sind. Schon möglich, dass jemand die AfD wählt, weil sie irgendwelche konservativen Werte vertritt. Wir wissen aber auch, dass alle Neonazis, die sich parteilich organisieren wollten, in den letzten fünf, sechs Jahren in diese Partei eingetreten sind. Das heißt, wer diese Konservativen wählt, der wählt gleichzeitig die Neonazis mit. Und das weiß jeder. Wer das tut, sympathisiert mit Neonazis und fertig.

"Die Strukturen, die so etwas ermöglichen, sind bekannt"

teleschau: Trotzdem geschehen derzeit vermehrt Dinge in unserem Land, die besorgniserregend sind ...

Stadlober: Natürlich habe ich teilweise auch Sorge, und ich finde es schrecklich, wenn man mitbekommt, dass auf anders aussehende Politiker geschossen wird oder Politiker von Rechten umgebracht werden. Da wird mir auch ganz anders. Aber ich glaube, dass die Tendenz schon immer da war. Was ich besorgniserregend finde, ist eher, dass die Strukturen, die so etwas ermöglichen, bekannt sind und trotzdem nichts dagegen unternommen wird.

teleschau: Mit welchem Gefühl blicken Sie dann in die Zukunft?

Stadlober: Wenn ich jungen Menschen, egal wo, ob auf dem Land oder in einer Stadt, begegne, dann kann ich es mir nicht vorstellen, dass das, was ein Herr Gauland erzählt, tatsächlich unsere Zukunft sein wird. Dafür sind die Leute einfach schon viel weiter, als die paar AfD-Wähler denken. Ich hoffe, das ist der letzte Aufschrei eines untergehenden Weltbildes.

teleschau: Sind Sie selbst auch politisch aktiv?

Stadlober: Ja, durchaus. Ich bin aber nicht parteipolitisch aktiv. Ich finde, solange es nicht wirklich brennt, sollte man sich als Künstler zurückhalten, irgendwelche Wahlempfehlungen abzugeben. Aber ich war auf Fridays for Future-Demonstrationen, und ich arbeite aktiv mit antifaschistischen Vereinigungen zusammen. Ich würde mich als nicht parteigebundenen, aber politisch wachen und aktiven Menschen sehen. Aber natürlich versuche ich das, was ich kann, teilweise in den Dienst der politischen Richtung zu stellen, an die ich glaube.

"Ein so großes Publikum wie möglich erreichen"

teleschau: Zurück zur Schauspielerei: Sie haben in letzter Zeit viele interessante Produktionen gehabt, "Meckie Messer - Brechts Dreigroschenfilm" im Kino, "Das Boot" und "Das Institut" im TV - es läuft bei Ihnen ganz gut gerade, oder?

Stadlober: Ja, momentan ist es gut. Ich habe irgendwann beschlossen, wieder mehr auf größerer Bühne zu arbeiten. Ich habe davor viele Jahre lang eher kleine Dinge gemacht, die mich selbst sehr interessiert, aber nicht unbedingt eine große Öffentlichkeit angesprochen haben. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass eine Kernessenz von Schauspielerei tatsächlich ist, dass man Inhalte und Texte so vielen Menschen wie möglich vermittelt. Da hilft es manchmal auch, nicht nur im engsten Elfenbeinturmzimmer herumzusitzen, sondern möglicherweise auch mal auf die Terrasse zu gehen.

teleschau: Der Koch in Das Boot, Kurt Weill oder Titus - mit welcher dieser drei Figuren haben Sie sich am wohlsten gefühlt?

Stadlober: Es ist schwierig, persönliche Sympathien für Figuren zu haben. Dann kann man nicht mehr so frei spielen. Möglicherweise interessiert mich Kurt Weill am meisten, einfach so als Privatperson. Ich würde mit Kurt Weil wahrscheinlich am liebsten ein Bier trinken gehen. Mit Titus müsste man ein Club-Mate trinken und mit dem Koch vom Boot Schnaps (lacht). Deswegen ja, wenn ich die Wahl hätte, würde ich am liebsten einen Abend mit Kurt Weill verbringen.

teleschau: Warum?

Stadlober: Weil ich am meisten über ihn weiß und es ihn tatsächlich gegeben hat. Mich würden einfach viele Dinge interessieren, die ihm widerfahren sind. Die anderen beiden Figuren habe ich mir teilweise selbst ausgedacht, deswegen habe ich da wahrscheinlich nicht mehr so viele Fragen. Bei Kurt Weill hätte ich aber noch viele Fragen.

teleschau: Auch, weil Sie selbst Musiker sind?

Stadlober: Ja, aber ich glaube nicht, dass ich mit Kurt Weill tatsächlich über Musik reden könnte, sodass wir uns auf einer gleichen Ebene verstehen würden. Der war schon ein Jahrhundertgenie.

teleschau: Es wäre aber doch interessant, was er über die Musik von heute sagen würde. Er war ja auch bahnbrechend ...

Stadlober: Genau. Er war schon in Deutschland sehr populär, aber in seiner amerikanischen Zeit hat er im Prinzip den Broadway, wie wir ihn heute kennen, mit erfunden. Ich glaube daher, dass er auch mit der jetzigen Musik seinen Weg finden würde, damit umzugehen. So wie es für mich als Schauspieler gilt, dass man so ein großes Publikum wie möglich erreichen möchte, so hat auch Kurt Weill genau das getan, aber dabei niemals den Anspruch an sich selbst aus den Augen verloren. Das ist die Königsklasse.

"Ich muss immer irgendwas machen, sonst werde ich verrückt"

teleschau: Gary heißt Ihre eigene Band. Wann gibt es da wieder Neues zu hören?

Stadlober: Wir wollen mal wieder eine Platte machen, aber die Zeit dafür muss erst gefunden werden. Musik mache ich aber trotzdem, zum Beispiel erarbeite ich aktuell einen Solo-Abend zu "Hyperion" von Hölderlin. Dabei spiele ich mit analogen, modularen Synthesizern. Das ist im Prinzip auch eine Form von Musik. Bei den meisten meiner Theaterprojekte mache ich in irgendeiner Art und Weise auch Musik. Dementsprechend habe ich nie aufgehört, Musik zu machen.

teleschau: Wie muss man sich das Hölderlin-Programm vorstellen?

Stadlober: Ich bin ganz allein auf der Bühne, nur die Synthesizer und ich. Ich arbeite dabei mit Minimoogs, das sind analoge Synthesizer, die spannungsabhängig Dinge tun, die man nicht unbedingt voraussehen kann, die also fast wie eine eigene Lebensform sind. Ich kann zwar Tonhöhen und Geschwindigkeiten beeinflussen, aber nicht so genau wie an einem Computer. Dadurch wird es zu einem Spiel zwischen mir als organischer Gestalt und einem analog-elektronischen Organismus.

teleschau: Wo ist die Hölderlin-Geschichte zu sehen?

Stadlober: Premiere ist im Juli in Stuttgart, außerdem stehen schon Auftritte in Wien, Berlin, Münster und Freiburg fest. Das Hölderlin-Jahr ist ja noch lang. "Hyperion" hat die letzten 220 Jahre überdauert, dann wird es auch die nächsten zehn Jahre schaffen, also kann ich es auch die nächsten zehn Jahre spielen.

teleschau: Haben Sie sich das Programm selbst überlegt?

Stadlober: Ja, ich mache schon seit bestimmt zehn Jahren immer wieder freie Theaterprojekte mit verschiedensten Leuten in verschiedensten Konstellationen. Wenn es gerade keinen Film zu drehen gibt, muss ich immer irgendwas machen, sonst werde ich verrückt.

Von Anja von Fraunberg

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