Hannes Jaenicke im Interview
"Der Mensch ist das dümmste aller Tiere"
Hannes Jaenicke wird des Kampfes nicht müde. Seit zwölf Jahren ist der 60-Jährige auf der ganzen Welt unterwegs, um auf das Leid und die Ausbeutung von Tieren aufmerksam zu machen. Nachdem er unter anderem die missliche Lage von Orang-Utans, Delfinen und Elefanten thematisiert hat, wendet sich Jaenicke in einer neuen Folge seiner preisgekrönten ZDF-Dokumentationsreihe, "Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Lachs" (Dienstag, 16. Juni, 22.15 Uhr), dem liebsten Speisefisch der Deutschen zu. Wie der aufschlussreiche Filmbeitrag zeigt, sind die Umstände, wie Lachs auf unsere Teller kommt, katastrophal. "Lachs sollte man einfach gar nicht mehr essen", appelliert Jaenicke im Gespräch. Der Schauspieler erläutert in gewohnt klaren Worten, was es bedeuten würde, wenn der Lachs ausstirbt und geht auf Konfrontationskurs mit zaghaften Politikern.

teleschau: Lenkt die Corona-Krise aktuell den Blick wieder weg vom Umweltschutz, der auch dank der "Fridays For Future"-Bewegung zuvor in den Fokus gerückt war?

Hannes Jaenicke: Der CDU-Wirtschaftsrat fordert ja schon lauthals, dass wir jetzt die Umweltgesetze lockern müssen, damit die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Das zeugt von einer unglaublichen Kurzsichtigkeit und Dummheit. Der Mensch scheint einfach lernunfähig zu sein. Ich glaube aber, die Reaktionen nach der Corona-Krise werden gespalten sein. Es gibt die Trump-, Bolsonaro-, CDU- und FDP-Reaktion, die besagt, dass Wirtschaft das Wichtigste ist. Und dann gibt es Länder in Skandinavien oder wie Costa Rica, Kalifornien und Neuseeland, die sagen: Moment mal, woher kommt diese Krise? Auch die Grünen arbeiten an Plänen, wie man aus der Corona-Krise nachhaltig aussteigen kann.

teleschau: Ist es also noch nicht zu spät?

Jaenicke: Nein, ich bleibe stur optimistisch. Ich habe durch meine Dokus und Aktivitäten relativ viel mit Politikern zu tun. Svenja Schulze (SPD, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, d. Red.) sagt zum Beispiel klar und deutlich, dass man trotz Corona-Krise die Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren darf. Bill Gates sagt, dass Geschäftsreisen wegen der Krise weitgehend verschwinden werden. Sein Wort in Gottes Ohr. Ich sehe auch nicht ein, warum ich immer noch für drei Stunden Drehbuchbesprechung von München nach Berlin fliegen soll. Das kann ich alles via Videokonferenz machen. Ich glaube, die Corona-Krise wird, was Digitalisierung, Arbeitsweisen, Verkehr und Geschäftsverkehr angeht, einiges ändern. Ob es darüber hinaus geht, muss man abwarten.

teleschau: Ist es nicht zu kurz gedacht, beim Thema Umweltschutz nur die Politik in Verantwortung zu ziehen?

Jaenicke: Grundsätzlich sind es immer drei Parteien, die in die Puschen kommen müssen: Die Politik, die Industrie und der Verbraucher. Wenn die Krise vorbei ist, und der Deutsche rennt wieder zum Autohändler, um sich ein neues SUV zu holen, dann hat der Verbraucher nichts gelernt. Die Politik lernt auch nur ungern. Und die Autobosse glauben immer noch, der Verbrenner sei die Zukunft und fordern eine Abwrack-Prämie.

"Bei der Überfischung ist die Lage katastrophal"

teleschau: In Ihrer neuen Dokumentation über Lachse stellen Sie die Frage "Warum sind uns Fische so egal?". Haben Sie eine Antwort darauf gefunden?

Hannes Jaenicke: Die Welt unter Wasser ist nicht sichtbar. Selbst bei Massentierhaltung an Land wird ja alles getan, damit wir nicht sehen, was tatsächlich abläuft in Hühner- oder Schweinefabriken. Dafür sorgen die großen Fleischproduzenten mit ihren festungsartigen Zuchtfabriken. Unter Wasser sind die Tiere erst recht aus dem Auge und dem Sinn. Das ist das Eine.

teleschau: Was noch?

Jaenicke: In meiner Schulzeit wurde uns im Bio-Unterricht noch beigebracht, Fische hätten kein Schmerzempfinden. Mittlerweile ist die Wissenschaft weiter. Trotzdem glauben immer noch viele Leute: "Der Fisch spürt doch nichts. Dem hau ich auf den Kopf und fertig!" Auch bei der Überfischung wird kaum thematisiert, wie katastrophal die Lage ist. Deswegen fand ich das Thema der Lachse so spannend.

teleschau: Was hat Sie bei Ihren Recherchen besonders schockiert?

Jaenicke: Dass es Flüsse gibt, die vor zehn oder 15 Jahren noch Millionen Lachse hatten, in denen jetzt kein einziger mehr schwimmt. Dass es Grizzlybären gibt, die nur noch aus Fell und Knochen bestehen, weil es keine Lachse mehr gibt. Ganze Orca-Populationen an der Westküste der USA verhungern. Dann ist immer das Argument: Dann züchten wir eben in einer Farm. Genau das ist aber der Fehler.

teleschau: Weil Farmen letztlich einer der Auslöser der gravierenden Situation sind?

Jaenicke: Sobald eine Lachsfarm ins Meer oder in einen Fjord gebaut wird, kollabiert dort das marine Ökosystem. Das ist das, was der Fisch-Liebhaber und wir Otto Normalverbraucher nicht wissen. Das Farmprodukt ist nicht nur für den Konsumenten giftig, sondern auch für die Wildnis. Das ist die Kehrseite unseres Appetits auf Lachs.

"Den meisten Menschen scheint es egal zu sein, ob Tiere aussterben"

teleschau: Was würde es bedeuten, wenn der Lachs ausstirbt?

Jaenicke: Das ist wie immer, wenn man eine Spezies aus dem Ökosystem herausnimmt: Es kollabiert sukzessive. Jedes Tier, jede Pflanze, selbst jedes Ungeziefer hat eine biologische Funktion. Das Gleiche gilt für den Lachs. Wenn er verschwindet, dann sterben Bären, Fischadler und Orcas aus. Wir haben Vertreter von Indianerstämmen in Kanada interviewt, die von einem kulturellen Genozid gesprochen haben, weil der Lachs nicht mehr kommt. Den meisten Menschen scheint es leider egal zu sein, ob Tiere aussterben.

teleschau: Kann man Lachs noch guten Gewissens essen?

Jaenicke: Nein, weder Wild- noch Zuchtlachse. Wenn man ihn aus der Farm isst, unterstützt man Lachsfarmen, die die Umwelt schädigen. Wenn man Wildlachs konsumiert, isst man ein total überfischtes Tier, das es mittlerweile so selten gibt, dass andere Tiere deswegen aussterben. Da reicht nicht einmal mehr die Reduktion des Konsums. Lachs sollte man einfach gar nicht mehr essen.

teleschau: Sie haben unter anderem in einer Zuchtlachsfarm in Norwegen gedreht. Wie haben Sie die Menschen dort erlebt?

Jaenicke: Diese Leute sind der festen Überzeugung, gehirngewaschen wie sie sind, dass es den Wildlachsbestand schont, wenn wir Farmlachs essen. Das ist ein bisschen wie die Leute von Bayer, die so lange Unbedenklichkeitsstudien zum Thema Glyphosat anfertigen lassen und lesen, bis sie glauben, Glyphosat sei ein unbedenkliches Produkt. So ist es auch in der Lachsindustrie.

"Manchmal wächst mir das etwas über den Kopf"

teleschau: Was ist Ihr dominanter Gedanke während der Drehs Ihrer Dokumentationen?

Jaenicke: Dass der Mensch die einzige Spezies ist, die das Nest, in dem sie lebt, zerstört! Der Mensch ist das dümmste aller Tiere, weil kein anderes Lebewesen sein Habitat derart vernichten würde, wie wir das tun. Das zweite, was mich fasziniert: Wir wissen seit etwa 40 bis 50 Jahren, was beim Thema Umweltschutz passieren müsste, aber es passiert genau das Gegenteil. Wir sollten den Wald als CO2-Speicher stehen lassen, wir sollten fossile Brennstoffe nicht mehr verwenden, wir wissen, dass Plastik und Metalle giftiger Müll sind. Wir wissen ja alles, aber tun nichts. Das ist eine merkwürdige Mischung aus Geschichtsamnesie und Lernunfähigkeit.

teleschau: Sind die Filme für Sie eine Art Therapie?

Jaenicke: Wenn ich diese Filme nicht machen könnte, wäre ich sehr viel frustrierter. Wie jeder Journalist kann ich etwas produzieren, das Leute vielleicht zum Nachdenken anregt. Bei den Lachsen war das Traurigste ein kanadischer Indianer-Chief, den wir interviewt haben. Die haben sich 40.000 Jahre von diesem Tier ernährt, jetzt kommen keine Lachse mehr die Flüsse hochgeschwommen, und plötzlich haben alle Indianer Diabetes.

teleschau: Sind Sie des Kampfes nicht manchmal überdrüssig?

Jaenicke: Wenn ich Herrn Trump oder Herrn Bolsonaro in den Nachrichten sehe, wenn ich Minister wie Andreas Scheuer oder Julia Klöckner reden höre, möchte ich am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: "Scheiß drauf, bringt eh alles nichts." Aber dann gibt es auch das Gegenteil, zum Beispiel Länder wie Costa Rica, Neuseeland, Kalifornien oder Skandinavien. Auch in Deutschland gibt es Politiker und Bewegungen, bei denen man merkt, die haben es verstanden und wollen was bewegen.

teleschau: Zum Beispiel?

Jaenicke: Der Umgang von Markus Söder mit dem Volksbegehren in Bayern zum Thema Insektensterben war ermutigend. Auch der Spagat, den Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg hinkriegt, zwischen einer übermächtigen Autoindustrie und ökologischem Denken. Ich bin immer noch guter Dinge. Es ist nur manchmal frustrierend, weil es so langsam geht. Das Klima-Thema, die Trockenheit, die Tsunamis - diese Probleme verschwinden nicht, sondern werden immer größer.

teleschau: Sie sind einer der wenigen Prominenten, die sich so nachhaltig für den Tierschutz einsetzen. Wünschen Sie sich, dass noch mehr Prominente ihre Popularität dafür nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen?

Jaenicke: Ich habe mittlerweile täglich bis zu zehn Anfragen von Umweltgruppen, die Unterstützung brauchen. Ich wünschte, wir wären in den USA, wo es gang und gäbe ist, dass sich Leute engagieren - von Leonardo DiCaprio über Robert Redford und Joaquin Phoenix bis George Clooney und Brad Pitt. Die Prominenten sind dort total präsent, was Umweltschutz betrifft. Bei uns ist das ein bisschen schüchterner. Ich würde mich freuen, wenn es ein paar mehr Mitstreiter gäbe. Manchmal wächst mir das etwas über den Kopf.

"Was bei uns ein Golf ist, ist bei denen ein Ferrari"

teleschau: Derzeit sind Sie auch in der Thriller-Serie "Mirage" zu sehen, und das obwohl Sie am liebsten in Komödien spielen.

Jaenicke: Komödien sind die größte Herausforderung. Es ist aber nicht so, dass ich nur Komödien machen will. Ich habe den Regisseur von "Mirage", Louis Choquette, Ende 2018 in Paris getroffen und war so angetan von ihm, dass ich bei diesem internationalen Projekt dabei sein wollte. Da dachte ich schon: "Wow, was für ein Luxus für einen deutschen Schauspieler." Auch der Hauptdarsteller Clive Standen war wunderbar.

teleschau: Wie haben Sie den Alltag in Abu Dhabi erlebt? In der Serie wirkt das ja fast wie in einer Parallelwelt im Vergleich zum Leben in Deutschland.

Jaenicke: Wenn ich ganz ehrlich bin: Hätte ich dort nicht gedreht, wäre ich freiwillig nicht hingefahren. Das ist eine so künstliche Welt, mit so obszön viel Geld. Was bei uns ein Golf ist, ist bei denen ein Ferrari. Es gibt Ski-Hallen und Emiratis, die sich Raubkatzen als Haustiere halten. Diese Welt war mir total fremd. Man muss auch fragen, warum sind die dort so reich? Weil wir denen das Öl so begeistert abgekauft haben die letzten 100 Jahre. Die haben das Geld ja nicht gestohlen, sondern wir haben ihnen das hinterhergeschmissen, weil wir ihr Öl so toll finden.

Von Julian Weinberger

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