Gena Rowlands wird 90
Erforscherin des Weiblichen
Ihren ersten großen Auftritt hatte Gena Rowlands in dem wunderbaren Spätwestern "Einsam sind die Tapferen". 1962 war das, vier Jahre nach ihrem Debüt in der längst vergessenen Komödie "The High Cost of Loving". In David Millers Abgesang auf den Wilden Westen steht Rowlands, damals immerhin schon 32 Jahre alt, in der Küche und knetet Teig. Kirk Douglas betritt das kleine Haus, in dem die von Rowlands gespielte Jerry lebt, ohne Mann, denn der musste für zwei Jahre ins Gefängnis. Man merkt sofort, dass der Cowboy Jack Burns, Douglas' nach eigenen Angaben liebste Rolle seiner langen Karriere, und Jerry mehr sind als nur Freunde. Ein paar Blicke von Rowlands und ein Lächeln reichen, um den Zuschauer eine Vorgeschichte zu erzählen, die der Film ansonsten nicht erwähnt. Gena Rowlands legt den Teig beiseite, tritt zum Herd, und schlägt ein paar Eier mit Speck in die Pfanne.

Ein paar Jahre später, ganz am Ende von "Eine Frau unter Einfluss", ist es dann wieder da, dieses Lächeln. Diesmal ist es Peter Falk, dem Rowlands so verführerisch und allwissend, so überlegen und doch liebevoll zuzwinkert. In den zweinhalb Stunden, die der Film bis zu jenem Moment schon gelaufen ist, hatte Rowlands die vielleicht beste Leistung ihrer Karriere gezeigt. Wieder war sie eine Hausfrau, eine am Rande des Nervenzusammenbruchs allerdings, psychisch krank, im Gesicht Zuckungen, ein seltsames Prusten auf den Lippen, tief drin aber doch der Wunsch, eine gute, eine normale Mutter für ihre drei Kinder zu sein.

John Cassavetes, ihr Ehemann von 1954 bis zu seinem Tod 35 Jahre später, hatte sie zu dieser Höchstleistung getrieben. Ein Theaterstück sollte "Eine Frau unter Einfluß" werden, doch Rowlands verweigerte sich. Jeden Abend so aus sich herauszugehen, das schaffe sie nicht. Also machte Cassavetes aus seinem Stück einen Film und verschaffte Rowlands ihre erste Oscar-Nominierung (für "Gloria, die Gangsterbraut", wieder von Cassavetes, erhielt sie ihre zweite, viele Jahre später schließlich den Ehren-Oscar).

Gena Rowlands, die am 19. Juni vor 90 Jahren in Madison im US-Bundesstaat Wisconsin als Virginia Cathryn Rowlands geboren wurde, war die große Intellektuelle des US-Kinos. Man muss in der Vergangenheit sprechen, wenn man über Rowlands Schauspielerei redet, denn vor sechs Jahren zog sie sich in den Ruhestand zurück.

Eine neue Art des Kinos

Auch wenn sie in Dutzenden Filmen spielte, es waren die Arbeiten ihres Mannes John Cassavetes, die zu ihren größten zählen. Während des Studiums hatten sie sich kennengelernt, später drehten sie zehn Filme gemeinsam. Fast immer waren die Dreharbeiten auch Familientreffen, bei denen mal Rowlands Mutter vor der Kamera stand, mal der gemeinsame Sohn Nick.

Es war eine ganz neue Art des Kinos, die Rowlands und Cassavetes gemeinsam schufen: frei im Stil, finanziell unabhängig von den großen Studios Hollywoods. Wer hier in wissen Schatten stand, Rowlands in dem von Cassavetes oder umgekehrt, ist eigentlich egal: Keiner von beiden wäre ohne den anderen so denkbar gewesen, wie er war. Cassavetes machte Rowlands zum Star, sie machte seine Filme zum Ereignis.

Während Cassavetes, der zuerst Schauspieler war, auch viele anspruchslose Rollen annahm, um seine Filme als Regisseur zu finanzieren, arbeitete Gena Rowlands fast ausschließlich mit den ganz Großen ihres Fachs. Woody Allen machte aus ihr in "Eine andere Frau" eine New Yorker Philosophie-Professorin, die Gespräche aus der benachbarten Praxis eines Psychologen belauscht und so ihr eigenes Leben zu überdenken beginnt. In Jim Jarmuschs Episodenfilm "Night on Earth" ließ sie sich von Winona Ryder in einem Chevrolet durch Los Angeles kutschieren und versuchte, ihre Fahrerin von einer Karriere in Hollywood zu überzeugen, vergeblich. William Friedkin vereinte sie in "Das große Dings bei Brinks" wieder mit Peter Falk. Drei Kinder hatte das Ehepaar Rowlands/Cassavetes, alle drei machen Filme. Für ihren Sohn Nick Cassavetes stand Rowlands viermal vor der Kamera, einmal auch für Tochter Zoe.

In ihren Filmen erforschte Rowlands immer auch, was es heißt, weiblich zu sein. In "Eine Frau unter Einfluss" rebellierte sie dagegen, auf die Rolle am Herd reduziert zu werden, in "Gloria" schoss sie sich frei, in "Gesichter", mit dem Cassavetes den Independent-Film neu begründete, war sie eine Prostituierte, die eine Ehe auf die Probe stellte. "Wenn es keine Männer bräuchte, um Kinder zu machen", sagt Rowlands in "Einsam sind die Tapferen", "würde ich nichts mit ihnen zu tun haben."

Von Sven Hauberg

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