Ein Dorf zieht blank
Filmbewertung: akzeptabel
Starttermin: 16.08.2018
Regisseur: Philippe Le Guay
Schauspieler: François Cluzet, François-Xavier Demaison, Julie-Anne Roth
Entstehungszeitraum: 2018
Land: F
Freigabealter: 6
Verleih: Concorde Filmverleih
Laufzeit: 110 Min.
Humor in der Zerreißprobe
Der Auftakt gestaltet sich grandios. Chloé (Pili Groyne), eine Art Chronistin der Ereignisse von "Ein Dorf zieht blank", ist noch Teenager und äußert sich gegenüber dem Zuschauer naseweis abgeklärt. Dass ihre Eltern mit ihr tief in die Normandie aufs Land gezogen sind, ist einfach furchtbar. Das Kaff Mêle-sur-Sarthe, wo sie nun wohnen, kann man vergessen. Die Proteste der Bauern gehen freilich in Ordnung. Chloé informiert schnell mal über die Hintergründe: Fleisch- und Milchpreise sind im Keller, die Landwirtschaft geht den Bach runter. Bei dem Stichwort kommt der unsichere Gegenpart zu Chloé ins Bild, Bürgermeister Balbuzard (François Cluzet). Mit den Einwohnern seines Dorfes blockiert er eine Nationalstraße, in ihm glüht ehrlicher Zorn. Doch gleichzeitig wirkt er müde und melancholisch, nicht ganz bei der Sache. Cluzet spielt das wunderbar, aber nur in dieser Szene. Die Dramödie verliert sehr bald die leise ironische Distanz - nicht zu ihrem Besten.

Wie Balbuzard und seine Mitstreiter feststellen müssen, ruft ihre Aktion leider nicht das gewünschte Medienecho hervor. Balbuzard ist ratlos, hilflos muss er mitansehen, wie sich die wirtschaftliche Misere seiner Gemeinde zur Verzweiflung steigert. Aber dann taucht der spleenige amerikanische Fotograf Newman (Toby Jones) auf. Seine fixe Idee von einem Massenaktbild in der Natur lässt Balbuzard mit der Nacktheit als Waffe des Protests liebäugeln. Zwischen Eichen und Kühen suchen sie nach einem geeigneten Feld für die Aufnahme.

Der Gedanke, hüllenlos zu posieren, behagt den Dörflern erst einmal gar nicht, das Vorhaben sorgt für Irritation und Abwehr. Der Fleischer tobt vor Eifersucht, als bei seinen männlichen Kunden die Neugier wächst, seine Frau, eine ehemalige 'Miss Normandie', einmal nackt zu sehen. Doch das anstehende Gruppenbild lässt auch zarte Bande sprießen, nämlich zwischen der Arbeiterin Charlotte (Daphné Dumons) und Vincent (Arthur Dupont), Sohn des verstorbenen Dorffotografen und gescheiterter Radrennprofi.

Ein Dorf leistet Widerstand - da liegt es nahe, den neuen Film von Frankreichs Star François Cluzet ("Ziemlich beste Freunde") mit den Comics um Astérix und Obélix zu vergleichen. Aber hier enden die Parallelen auch schon. Kein Zaubertrank bändigt den Zank, sondern eine linkische patriotische Schlussgeste, und statt lustiger Raufereien fließt sogar Blut.

Erkennbar will Regisseur Philippe Le Guay von einer Gemeinschaft erzählen, die in dem Maße wieder zueinander findet, wie sie ihre Hemmungen verliert. Aber den richtigen Ton trifft er dabei nicht. Den thematischen Aufhänger der Nacktheit derb auszubeuten, scheut er sich sympathischerweise dann doch.

Der Weg der leisen Ironie mit Chloé und Balbuzard als dramaturgischer Achse wäre über den Anfang hinaus gangbar, doch dafür gab es wohl autobiografische Hindernisse. Cluzet stammt aus einer Bauernfamilie. Le Guay ist dem Dorf Mêle-sur-Sarthe, das wirklich existiert und in dem er mit vielen Laien gedreht hat, persönlich eng verbunden. Augenzwinkernd zu scherzen, geht dann nicht.

So ist "Ein Dorf zieht blank" vor allem für die warmherzige und ernsthafte, dabei durchaus unterhaltsame Parteinahme für Landwirte in Not zu schätzen. Die witzigen Momente sind eher am Rande zu finden - bei Vincents Verführung durch die ebenso spöttische wie verliebte Charlotte etwa.

Von Andreas Günther

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