Filmbewertung: | überzeugend |
Starttermin: | 18.07.2019 |
Regisseur: | Lisa Azuelos |
Schauspieler: | Sandrine Kiberlain, Thaïs Alessandrin, Victor Belmondo |
Entstehungszeitraum: | 2019 |
Land: | FR |
Freigabealter: | 6 |
Verleih: | Alamode Film |
Laufzeit: | 85 Min. |
Angesichts des nahenden Auszugs der jüngsten Tochter stellen sich bei Héloïse wehmütige Erinnerungen und Zukunftsskepsis ein. Die Alltagspoesie in Wort und Bild, mit der die französische Regisseurin Lisa Azuelos dies schildert, trifft ins Herz, ohne eine Kitschspur zu hinterlassen. Mit einer Kiberlain, die total in ihrer Rolle aufgeht, und der eigenen Tochter als Co-Autorin und zweiter weiblicher Hauptfigur genügt ihr ganz wenig Handlung, um auf nachdenkliche Art amüsant den Schrecken emotionaler Leere zu umkreisen. Damit lässt Azuelos sogar "LOL (Laughing Out Loud)" hinter sich, die Mutter-Tochter-Komödie mit Sophie Marceau und ihr bisher größter Erfolg.
Ein Brief aus Kanada
Héloïse schreckt ein Brief aus Kanada auf. Obwohl der an ihre Tochter Jade (Thaïs Alessandrin) adressiert ist, öffnet sie ihn und erfährt so, dass Jade an einer renommierten Universität im fernen Toronto angenommen wurde. Es ist nicht so, dass Héloise nicht bereits Erfahrungen mit solchen Trennungen hätte. Ihre ältere Tochter Lola (Camille Claris) und ihr Sohn Théo (Victor Belmondo, der Enkel von Jean-Paul Belmondo) leben schon lange nicht mehr zu Hause. Aber hängt sie nicht an Jade am meisten?
Héloïse muss ihr Restaurant führen, und ihr geschiedener Mann Franck (Yvan Atall) soll sich gefälligst an den Studiengebühren beteiligen. Jade hat mit Louis (Mickaël Lumière) nun ihren ersten Freund, der von Kanada nichts weiß. Außerdem ist ja auch noch fürs Abi zu pauken. Aber dennoch: Jade wird gehen, und auf der Suche nach dem angemessenen Umgang damit wandert Héloïse zwischen Vergangenheit und Gegenwart, kehrt zu den bewegendsten Momenten mit der kleinen Jade zurück, erlebt noch einmal den ganzen Stress einer alleinerziehenden Mutter und kommt, unaufhörlich mit Handy- und Minikamera filmend, auf die verrücktesten Ideen, um Jade in lebendiger Erinnerung zu behalten.
Fast eine One-Woman-Show
"Ausgeflogen" hat durchaus ein paar Schwächen. Wie Regisseurin Azuelos die eigene Tochter in intimen Szenen mit dem Filmfreund aufnimmt, hat zwar nichts Anstößiges, hinterlässt aber den Nachgeschmack eines Bewerbungsvideos für Thaïs Alessandrin. Überdies ruht die Story auf brüchigem Fundament. Weder überzeugt die Figur der Jade als Schülerin mit Ambitionen noch Héloise als Restaurantchefin. Aber beim bittersüßen Abschied von der Tochter trifft Azuelos eben immer den richtigen Ton.
Virtuos mischt sie authentisch anmutende Unmittelbarkeit der Kamera mit leisen Zeitsprüngen und sogar einer Spiegelung des filmischen Prozesses selbst. Ihre größte Trumpfkarte heißt jedoch Sandrine Kiberlain. Als Mutter ist die 51-Jährige reine Empfindung, schleudert mit anrührender Komik alles heraus, was sie bewegt, bringt jede Sekunde des Countdowns der Trennung zur Verkörperung. "Ausgeflogen" wird durch sie fast eine One-Woman-Show, oder, umgekehrt gesagt: Die Show, das ist sie. Das gilt im besten Sinne des Wortes. Denn ihre Héloïse ist hingebungsvolle Hommage an die unzähligen Mütter, die sich für ihre Kinder aufopfern und einsame Königinnen der Herzen sind.
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