Lupita Nyong'o im Interview
"Ich war fast gelähmt vor Angst"
Mit seinem neuen Horror-Thriller "Wir" (Start: 21. März) hat Regisseur und Drehbuchautor Jordan Peele einen Film gedreht, der die Zuschauer mit ihren eigenen Dämonen konfrontiert. In dem Nachfolger zu "Get Out" (Oscar für das beste Drehbuch) hält er Amerika erneut einen Spiegel vor und deutet gezielt auf die aktuellen Probleme des Landes hin. Für die Hauptrolle hat sich Peele die Oscar-Gewinnerin Lupita Nyong'o ausgesucht. Der Clou: Nyong'o spielt eine Doppelrolle - eine besondere Herausforderung für die kenianisch-mexikanische Schauspielerin. "Meine Angst vor diesem Projekt war doppelt so groß wie normal. Vor allem nach dem Megaerfolg von 'Get Out' waren alle Augen auf mich gerichtet. Ich war fast gelähmt vor Angst", offenbart die 36-Jährige beim Interview in Los Angeles. Obwohl Nyong'o seit ihrem großen Durchbruch mit "12 Years A Slave" und dem Triumph von "Black Panther" mittlerweile zu den gefragtesten Schauspielerinnen in Hollywood gehört, hat sie immer noch Selbstzweifel.

teleschau: Lupita Nyong'o, als Sie 2013 "12 Years A Slave" drehten, sagten Sie, dass Sie starke Selbstzweifel hätten, mit großen Schauspielern zusammenzuarbeiten. Jetzt sind Sie selbst eine der "Großen". Zweifeln Sie immer noch an sich?

Lupita Nyong'o: Ich bin selbst mein größter Feind. Jedes Mal, wenn ich eine Rolle annehme, habe ich Angst und zweifle an mir selbst. Ich spiele nie eine Rolle zweimal, deshalb habe ich immer Angst vor dem Unbekannten, dem Neuen. Bei "Wir" war die Angst gleich doppelt so groß. Nicht nur, weil ich zwei Rollen spiele. Sondern auch, weil dieser Film das zweite Projekt von Jordan Peele ist. Wie wir alle wissen, war "Get Out" ein Megaerfolg, und schon alleine deshalb waren alle Augen auf mich gerichtet: Ich war fast gelähmt vor Angst (lacht).

teleschau: Wie überwältigen Sie diese Angst?

Nyong'o: Ich glaube, durch meinen Fleiß und Eifer schaffe ich es, zur Arbeit zu gehen. Meine Hausaufgabe ist es, so viel zu lernen, wie es nur geht. So ein Prozess braucht Geduld und Sorgfalt und viele liebevolle Menschen um einen herum, die einem sagen, dass man es schaffen kann.

teleschau: Wenn Sie sich Rollen aussuchen, bevorzugen Sie dann Filme, in denen farbige Kollegen mitspielen?

Nyong'o: (lacht) Ich mag es, mit Leuten zu arbeiten, die die gleiche Hautfarbe wie ich haben. Aber nur aus dem einen Grund, dass ich das nie hatte, als ich aufwuchs. Ich finde es schön, dass eine farbige Familie in einem Horror-Film im Mittelpunkt steht. Das gibt es nicht oft. Aber der Hintergrund des Films ist nicht die farbige Familie. Manchmal kann die Norm schwarz sein, und andere Menschen können sich darauf beziehen, genauso wie wir uns auf Menschen beziehen können, die eine andere Hautfarbe haben als wir.

teleschau: Für viele Menschen sind Sie ein Vorbild. Fühlen Sie sich wohl in dieser Rolle?

Nyong'o: Ich fühle mich geehrt und bin sehr stolz darauf. Ich fühle mich auch verpflichtet dazu, meine Stimme als Plattform zu verwenden. Mir wurden diese Karten zugespielt, deshalb muss ich sie einsetzen. Ich hatte das Glück, meinen Träumen gefolgt zu sein und diese verwirklichen zu können. Ich glaube daran, dass ich dafür da bin, um Rollen zu spielen, die Diskussionen starten und Botschaften übermitteln. Und wenn das dazu führt, dass mich jemand als Vorbild sieht und zu mir aufblickt, dann ist es eine große Ehre für mich. Ich folge meinem eingebauten GPS (lacht).

"Ich habe Angst vor Horrofilmen"

teleschau: Und welchen Einfluss hat "Wir"?

Nyong'o: Der Film kann bewirken, dass wir mit Leuten sprechen, mit denen man normalerweise gar nicht ins Gespräch kommen würde. Ebenso fordert er uns auf, in den Spiegel zu schauen, unsere Dämonen in uns selbst zu finden und zu bekämpfen.

teleschau: Inwiefern?

Nyong'o: Ein Doppelgänger ist normalerweise ein Alter Ego oder böser Zwilling, der in einem selbst leben kann. Selbstzweifel oder traumatische Erfahrungen, die im Gedächtnis eines Menschen wohnen. "Wir" spricht genau dieses Thema an.

teleschau: Und wie kann der Film Diskussionen anregen?

Nyongo'o: Ich habe meine Kollegen von "Black Panther" zum Screening eingeladen. Nach dem Film gingen wir in eine Kneipe und unterhielten uns stundenlang über verschiedene Themen des Films. Auch darüber, wie viele Clous Jordan Peele in den Film eingebaut hat. Aber mehr möchte ich jetzt nicht darüber verraten (grinst).

teleschau: Sind Sie überhaupt ein Fan von Horrorfilmen?

Nyong'o: Nein, gar nicht. Jordan Peele gab mir die Hausaufgabe, zehn Horrorfilme anzuschauen. Fast wäre ich daran gescheitert (lacht).

teleschau: Wieso?

Nyong'o: Weil ich Angst vor Horrorfilmen habe. Ich musste meine Freunde bestechen, damit sie die Filme mit mir gemeinsam anschauen. Wir haben unter anderem "So finster die Nacht", "Signs - Zeichen", "Der Babadook", "Shining" und "Die Vögel" gesehen.

teleschau: Aber "Get Out" haben Sie sich bestimmt freiwillig angeschaut?

Nyong'o: Oh ja. Das war der einzige Horrorfilm, von dem ich den Starttermin in meinem Kalender eingetragen hatte (lacht). Den habe ich mir gleich fünfmal in einem Monat angeschaut.

teleschau: Jordan Peele hat gesagt: "Das Böse sind wir". Glauben Sie, dass in uns allen eine böse Seite schlummert?

Nyong'o: 100 Prozent. Aber ich würde es nicht unbedingt als böse Seite bezeichnen. Eher, dass wir alle eine dunkle Seite haben, die die gute Seite in uns ablenken kann. Ich glaube aber auch, wenn die dunkle Seite ignoriert und verdrängt wird, kann sie im Unterbewusstsein wachsen und zur Selbstzerstörung führen. Wir müssen beide Seiten miteinbeziehen. Es gibt im Leben immer zwei Seiten - Yin und Yang.

teleschau: Apropos zwei Seiten: Von was würde sich Ihr Doppelgänger bei Ihnen angezogen fühlen?

Nyong'o: (überlegt) Ich habe großes Mitgefühl für andere Leute, Dinge sowie Ereignisse. Und weglaufen würde er sicherlich, wenn ich sauer oder wütend bin (lacht).

teleschau: Wir sehen im Film die perfekte amerikanische Familie, die ihren Traum lebt. Was ist Ihr amerikanischer Traum?

Nyong'o: (überlegt lange) Ich glaube, dass ich wirklich meinen amerikanischen Traum lebe. Genau das ist alles, von dem ich immer geträumt habe. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Von Rachel Kasuch

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