Der Regisseur wird 80
Wolfgang Petersen, der Einzigartige
Wer in München aufgewachsen ist, ist ein Stück weit auch mit den Werken von Wolfgang Petersen groß geworden. Nicht so sehr vielleicht mit den Filmen an sich, dafür aber mit ihren Kulissen. In der Bavaria Filmstadt, am Rande von München, stehen sie zum Teil noch heute. Das U-Boot aus "Das Boot" etwa, das von außen so riesenhaft wirkt und von innen dann klaustrophobisch klein ist, selbst für einen halbstarken Besucher. Und natürlich Fuchur, der Glücksdrache aus "Die unendliche Geschichte", auf dem man reiten und sich dank Tricktechnik so fühlen kann wie die Grünhaut Atréju bei seinem Flug durch Phantásien. Nur die Raumschiffkulisse aus "Enemy Mine" ist verschwunden, jener futuristische Raum, den geschickt angebrachte Spiegel so wirken ließen, als wäre er in Wirklichkeit noch viel größer.

"Enemy Mine - Geliebter Feind", jener Science-Fiction-Film von 1985, ist Petersens vielleicht rätselhaftestes Werk. Erzählt wird die Geschichte eines Raumjägerpiloten, der zusammen mit einem Außerirdischen auf einem fremden Planeten strandet. Aus Feinden - man befindet sich im Krieg gegeneinander - werden, geboren durch die Not, Freunde. "Enemy Mine" mag längst vergessen sein, nicht nur bei den Besuchern der Bavaria Filmstadt, die statt des verspiegelten Raumschiffgangs heute die Kulissen eines neuen Sci-Fi-Abenteuers erwartet. "Enemy Mine" war für Petersen aber ein entscheidender Einschnitt in seiner Karriere: Gedreht wurde zwar an der Isar, jedoch mit internationalen Stars, Dennis Quaid und Louis Gossett Jr. etwa. Und für Regisseur Petersen ging es anschließend nach Hollywood.

Wolfgang Petersen wurde vor 80 Jahren, am 14. März 1941, im niedersächsischen Emden geboren. Nach Stationen beim Theater begann er Mitte der 60-er ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin und drehte anschließend mehrere Fernsehfilme, unter anderem sechs "Tatort"-Folgen. Für die Episode "Jagdrevier" holte er sich erstmals Jürgen Prochnow vor die Kamera, jenen Mann, den er Jahre später mit "Das Boot" zum Star machen sollte. Auch in Petersens erstem Kinofilm, dem Thriller "Einer von uns beiden" von 1974, übernahm Prochnow eine Hauptrolle, drei Jahre später besetze er ihn in "Die Konsequenz".

Ein erstaunlicher Film

"Die Konsequenz" war ein erstaunlicher Film, eine Geschichte über zwei schwule Männer, die sich im Gefängnis kennenlernen und ineinander verlieben. Der Film, schrieb der "Spiegel" zur TV-Ausstrahlung, sei "eine natürliche Liebesgeschichte in Schwarzweiß - eine der privatesten und glaubwürdigsten, die seit langem über den Bildschirm gingen". Petersen, so der Kritiker, lasse mit "Die Konsequenz" "endlich mal wieder von den Knalleffekten seiner 'Tatort'-Routine" ab. Für einen Knall sorgte der Film dennoch: Der Bayerische Rundfunk verweigerte die Ausstrahlung. Petersens Karriere tat das keinen Abbruch, im Gegenteil: Nur wenig später - Petersen hatte inzwischen zum zweiten Mal geheiratet - machte er sich für die Bavaria Film an die Arbeiten zu "Das Boot", einem der wohl legendärsten deutschen Filme überhaupt.

"'Das Boot'" war der entscheidende Film in meiner Schauspielgeschichte", erinnerte sich Hauptdarsteller Prochnow im vergangenen Jahr im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau. "Er führte dazu, dass ich in Amerika mit offenen Armen aufgenommen wurde und dort mit wunderbaren Regisseuren und Schauspielern arbeiten durfte. Die Zusammenarbeit mit Wolfgang Petersen war sehr besonders - eine einzigartige Produktion, die man wohl nur einmal im Leben mitmacht."

Basierend auf dem autobiografisch geprägtem Roman von Lothar-Günther Buchheim erzählt das je nach Fassung bis zu fünf Stunden lange Werk von der Besatzung des deutschen U-Boots U-96, das 1941 im Atlantik feindliche Transportschiffe versenken soll. Rund 32 Millionen Mark kostete der seinerzeit teuerste deutsche Film; neben Prochnow machten anschließend unter anderem auch die Darsteller Uwe Ochsenknecht und Herbert Grönemeyer Karriere.

"In Deutschland absolut undenkbar"

Petersen schien Gefallen gefunden zu haben an Großproduktionen mit Großbudget. Sein Nachfolgefilm, die Adaption von Michael Endes "Unendlicher Geschichte", wurde noch teurer als "Das Boot": Satte 50 bis 60 Millionen Mark flossen in den englischsprachigen Dreh in München. Die Geschichte über den zehnjährigen Bastian Balthasar Bux, der ein geheimnisvolles Buch stiehlt und sich bald in der bedrohten Zauberwelt von Phantásien wiederfindet, wurde ein weltweiter Erfolg. Nur Autor Ende mochte gar nicht, was er da sah - da kannte er allerdings die fantasielosen Fortsetzungen noch nicht, für die jedoch nicht mehr Petersen verantwortlich zeichnete.

Der drehte anschließend "Enemy Mine", und sechs Jahre später erschien mit dem Thriller "Tod im Spiegel" sein Hollywood-Debüt. In schneller Folge filmte Petersen einen Erfolg nach dem anderen ab: "In the Line of Fire - Die zweite Chance" mit Clint Eastwood und John Malkovich, "Outbreak - Lautlose Killer" mit Dustin Hoffman und Morgan Freeman und "Air Force One" mit Harrison Ford als US-Präsident. Filme wie "Air Force One", sagte Petersen einmal in einem "Stern"-Interview, "sind wohl die Gegenreaktion, wenn man aus einem Land kommt, wo die Nation so gering geschätzt wird wie in Deutschland. Immer dieses mea culpa, mea culpa, wir sind die Bösen. In den USA dürfen nach einem Konzert alle aufstehen, die Hand aufs Herz legen und die Nationalhymne singen, da wird einem ganz mulmig. Wäre in Deutschland absolut undenkbar."

Sehnsucht nach Helden

In den USA aber konnte er sich austoben, hatte gigantische Budgets zur Verfügung, von denen man in Deutschland nur träumen kann. 2004 inszenierte Petersen das Historienspektakel "Troja" mit Brad Pitt als Achilles. "Viele Menschen sehnen sich wieder nach starken Heldenfiguren", sagte Petersen zum Kinostart dem "Spiegel". "Unser Alltag in den sogenannten westlichen Ländern ist relativ langweilig, es passiert nicht viel, die Welt ist grau, unübersichtlich und kompromissbereit. Das weckt sicher bei vielen Zuschauern die Sehnsucht nach Werten wie Ehre und Tapferkeit - und nach außergewöhnlichen Kämpfern, die bereit sind, für ihre Überzeugungen zu sterben."

Zwei Jahre später gab ihm Hollywood noch einmal ein Riesenbudget in die Hand (160 Millionen Dollar, heißt es), um "Poseidon" zu drehen. Doch Petersen schien das Glück verlassen zu haben, der Katastrophenthriller kam bei der Kritik gar nicht gut an und spielte am Ende seine Kosten nur mit Mühe wieder ein. Zehn Jahre lang machte Petersen nach diesem Reinfall eine Pause, erst 2016 wagte sich der Mann, dessen Filme für insgesamt 15 Oscars nominiert waren, wieder hinter die Kamera. Für "Vier gegen die Bank", das Remake seines gleichnamigen Fernsehfilms von 1976, ging er zurück nach Deutschland, in das Land, in dem er seine Karriere einst begonnen hatte. Es war ein Comeback, das nicht überzeugte, weder die Kritiker noch an den Kinokassen.

In der Bavaria Filmstudios, die wegen der Pandemie geschlossen sind, wird derweil Fuchur übrigens restauriert. Bald schon, erklärt eine Pressesprecherin, könnten Kinder wieder Platz nehmen auf dem Glücksdrachen aus "Die unendliche Geschichte" - und Wolfgang Petersens fast 40 Jahre alter Film eine neue Generation für sich begeistern.

Von Sven Hauberg

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